Präsident Trump hat die Bedeutung der Schweiz als Schutzmacht der US-Interessen im Iran unterstrichen. Dabei gehe es um den Schutz der US-Bürger sowie um das «Offenhalten von Verbindungen», wie Bundespräsident Maurer sagte. Was muss man sich darunter konkret vorstellen, Herr Guldimann?
Tim Guldimann: Für Trump ist dieser Hinweis auf die Rolle der Schweiz nützlich, um zu behaupten, er möchte mit Teheran ins Gespräch kommen – nachdem er das Land wirtschaftlich, politisch und militärisch massiv unter Druck gesetzt hat. Für uns geht es genau um das, was der Bundespräsident gesagt hat, aber nicht um eine aktive Vermittlung zwischen den beiden Staaten! Die Schweiz ist nur Schutzmacht. Das heisst, sie vertritt die US-Interessen in Teheran und ebenso die iranischen Interessen in Washington. Die Schweiz ist nur ein Kanal, ein Briefträger.
Mehr nicht?
Wirklich nicht! Es sei denn, beide Seiten wünschten sich eine akti-vere Rolle. Auch wenn die Schweiz beispielsweise in Genf «Hotelier» spielt und ermöglicht, dass Konfliktparteien sich treffen, ist das keine Vermittlung.
Wann wäre dies der Fall?
Dann, wenn die Schweiz eine aktive Rolle zwischen zwei Staaten einnähme und zum Beispiel selbst an Verhandlungen teilnimmt. In der Schweizer Öffentlichkeit besteht die Erwartung, dass die Schweiz überall, wo es einen Konflikt gibt, «vermitteln» soll. Diese Vorstellung nimmt bisweilen peinliche Züge an.
Sie waren früher selber «Briefträger» in Teheran. So richtig mit Aktentasche und Brief in der Hand?
Konkret läuft das wie folgt: Die Schweizerische Botschaft in Teheran erhält einen Anruf aus dem iranischen Aussenministerium mit der Bitte, eine schriftliche Mitteilung abzuholen. Hat unser dortiger Diplomat – meistens der Botschafter selbst – das gemacht, übermittelt er oder sie das Schreiben auf einem verschlüsselten Kanal nach Bern sowie in die Schweizer Botschaft in Washington. Dort wird es entschlüsselt, ausgedruckt und durch einen Schweizer Diplomaten dem US-Aussenministerium übergeben. Dieser Briefträger unterscheidet sich nur in einem Punkt von einem Pöstler: Er kennt den Inhalt der Mitteilung.
Wie intensiv ist diese Übermittlungstätigkeit?
Bisweilen intensiv, auch zu meiner Zeit, etwa zwischen den Terror-
anschlägen vom 11.September und der Amtseinführung des afghanischen Staatspräsidenten Hamid Karzai am 20.Dezember 2001. In diesen Monaten, als die Amerikaner mit iranischer Unterstützung das Regime der Taliban in Kabul stürzten, waren die indirekten
Kontakte via Schweizer Botschaft mit Teheran nützlich. Trotzdem zählte der damalige US-Präsident George W. Bush am 28.Januar 2002 Iran zur «Achse des Bösen».
Wie brenzlig ist in Ihren Augen die gegenwärtige Situation?
Sie ist sehr gefährlich, nicht weil Trump den Krieg mit dem Iran will – damit hätte er innenpolitisch ein Problem –, sondern weil viele Akteure mit eigener Agenda in den verschiedenen Konflikten der Region am Werk sind, ohne dass dagegen noch internationale Absprachen möglich wären. Trump hat den grossen Erfolg der internationalen Gemeinschaft im Verhältnis zum Iran, nämlich das Nuklearabkommen, aufgekündigt. Diese internationale Gemeinschaft gibt es nicht mehr. Trump rasselt mit dem Säbel und gibt gleichzeitig den «Dealmaker». Am Donnerstag wurde die Schweiz Teil seiner Inszenierung. Das ist okay, denn diese Statistenrolle bringt auch den Vorteil besserer Kontakte mit Washington. Den hat Bundespräsident Ueli Maurer für das Dossier des Freihandelsabkommens Schweiz-USA genutzt.
Tim Guldimann (68) war von 1999 bis 2004 Schweizer Botschafter im Iran und von 2010 bis 2015 Botschafter in Berlin. Der alt SP-Nationalrat (2015–2018) lebt mit seiner Familie in Berlin.