US-Präsident Donald Trump anerkennt Jerusalem als Hauptstadt Israels. Jetzt hat die Hamas zu einer neuen Intifada aufgerufen. Was befürchten Sie?
Tim Guldimann: Die Hamas steht unter dem Druck der radikalen Strömung im eigenen Lager und musste reagieren. Die Gewalt kann jederzeit wieder eskalieren.
Warum ist im Entscheid von Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, so viel Zündstoff?Ostjerusalem wurde 1967 besetzt und später völkerrechtswidrig annektiert. Trump anerkennt mit seinem Entscheid diesen Rechtsbruch. Das wäre, wie wenn ich ein Auto stehle und drei Tage später behaupte, es sei mein Eigentum. Das ändert nichts am Diebstahl.
Was bedeutet diese Eskalation?
Der Zeitpunkt ist höchst gefährlich. Man hoffte gerade noch, mit der neuen Vereinbarung über die Verwaltung im Gazastreifen, dass sich die Lage beruhigt. Diese Hoffnung ist zerstört.
Aber US-Präsident Trump nennt immer wieder die Friedensbestrebungen als Ziel seines Handelns.
Es gibt keinerlei Fortschritte. Das Gegenteil macht das Gerede von einem Friedensprozess schon lange zur Lüge. Trumps Entscheid ist vor allem innenpolitisch begründet. Er hält ein Wahlversprechen ein. Damit wird die Zweistaatenlösung noch unwahrscheinlicher, weil der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu nur ermuntert wird, seine völkerrechtswidrige Siedlungspolitik auszudehnen.
Wie werden der Iran und Katar nun reagieren?
Katar ist damit beschäftigt, die von Saudi-Arabien inszenierte Isolation zu überwinden und wird sich zurückhalten. Die Iraner hingegen werden die religiöse Bedeutung des Tempelbergs in Ost-Jerusalem als dritte heilige Stätte neben Mekka und Medina in Erinnerung rufen und zum Widerstand aufrufen.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat nun zu einer Konferenz aufgerufen. Welche Interessen vermuten Sie dahinter?
Erdogan sieht die Chance, sich als islamischer Führer mit der brisanten Jerusalemfrage amerikakritisch auch gegen Saudiarabien zu profilieren. Die Handelsförderung ist ein Vorwand, sein politisches Interesse ist sein Einfluss in der Region, vor allem im Syrienkonflikt.
Welche Rolle soll die Schweiz jetzt einnehmen?
Wir sollten, begründet mit dem Völkerrecht, den Entscheid kritisieren und darauf hinweisen, dass allein der Respekt des Völkerrechts die Lage beruhigen und damit die Sicherheit Israels garantieren kann.
Naher Osten: Alle aktuellen Ereignisse nach Trumps Jerusalem-Entscheid gibt es im Israel-Ticker.