Nächste Woche wird das Bundesamt für Justiz seinen Bericht über die Verwahrungspraxis publizieren. «Endlich», sagt Nationalrätin Natalie Rickli (SVP, 38), die 2013 einen entsprechenden Vorstoss lancierte: «Bisher fehlten Zahlen und Fakten zu diesem Thema in der Schweiz.»
SonntagsBlick liegen Statistiken des Bundes vor. Sie zeigen: Die Zahl der rechtskräftigen Verwahrungen geht seit Jahren massiv zurück. Von 2010 bis 2014 sprachen die Richter lediglich 14 solche Urteile aus. In den fünf vorangegangenen Jahren waren es 58.
Statt Täter lange wegzusperren, werden sie vermehrt psychiatrisch behandelt. 991 «therapeutische Massnahmen» wurden in den zehn Jahren nach dem Sieg der Initiative verordnet. Im Jahrzehnt davor waren es erst 325. Bei diesen sogenannten «kleinen Verwahrungen» kommen Täter in eine geschlossene psychiatrische Anstalt. Werden sie nach der Therapie als gesund beurteilt, können sie schon nach fünf Jahren wieder auf freien Fuss kommen.
«Diese Entwicklung geht komplett am Willen der Bevölkerung vorbei», sagt Rickli. «Das Volk hat 2004 ein klares Zeichen gesetzt, dass rückfallgefährdete Straftäter für lange Zeit hinter Gitter gehören. Dass sie stattdessen zunehmend therapiert und wieder freigelassen werden, ist absurd.»
2004 wurde die Verwahrungsinitiative mit 56,2 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Ziel der Initianten war es, eine Verwahrung auch lebenslang aussprechen zu können, damit Täter für immer hinter Gittern bleiben.
Tatsächlich sprachen Schweizer Richter seitdem fünf lebenslange Verwahrungen aus. Doch nur eine ist bislang rechtskräftig: die von «Callgirl-Mörder» Mike A.* (47) aus dem Thurgau. Der Serienvergewaltiger Markus W.* (58) versucht, seine lebenslange Verwahrung vor Bundesgericht abzuwenden. Dem Mörder von Au-pair-Mädchen Lucie (†19) gelang dies im Jahr 2013.
«Die lebenslange Verwahrung ist ein Papiertiger und faktisch nicht anwendbar», sagt Nationalrat und Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch (SP, 50). Laut Strafgesetzbuch darf sie nur ausgesprochen werden, wenn ein Täter als «dauerhaft nicht therapierbar eingestuft» wird.
Jositsch: «Kein Gutachter kann aber belegen, dass ein junger Täter in 20 Jahren nicht behandelbar sein wird.» Deshalb fällten die Gerichte kaum solche Entscheide. «Und wenn doch, werden sie später vom Bundesgericht aufgehoben.»
Die Wende hin zu mehr Therapie findet auch der SP-Politiker problematisch. Zwar seien gefährliche Täter auch in geschlossenen Anstalten sicher aufgehoben. «Aber so viele Personen zu therapieren, ist organisatorisch kaum möglich. Und extrem teuer.»
Zu diesem Schluss kam auch der Bundesrat, als er 2013 ein weiteres Rickli-Postulat beantwortete. Die Therapiekosten im Strafvollzug sind zwischen 2007 und 2011 von 44 auf 93 Millionen Franken gestiegen. Rickli ist überzeugt: «Sie werden weiter steigen, wenn an der gängigen Praxis nichts geändert wird.» Gegen Therapie sei an sich nichts einzuwenden: «Aber es kann nicht sein, dass gefährliche Straftäter nach fünf Jahren wieder frei herumlaufen.»
Rickli hat mehrere Vorstösse eingereicht, damit Verwahrungen strenger umgesetzt werden. Im September werden diese vom Ständerat behandelt. «Die Hürden, um eine Verwahrung auszusprechen, sind grundsätzlich zu hoch», kritisiert die Nationalrätin.
Es brauche Anpassungen im Gesetz. Rickli: «Ich werde solche prüfen, nachdem der Bund seinen Bericht vorgelegt hat.»