Die Bauernlobby im Bundeshaus hat einen Lauf. Die Bilanz der letzten Wochen: mehr Subventionen, weniger Spardruck, neue Steuerprivilegien, mehr Marktabschottung.
«Die Bauern sind heute so stark, dass die Bundeskasse für sie zum Selbstbedienungsladen geworden ist.» Das sagt einer, der es wissen muss: FDP-Mann Ruedi Noser, Präsident der nationalrätlichen Wirtschaftskommission (WAK). Er habe die Lobby noch nie so mächtig erlebt, sagt Noser weiter. «Offen gesagt: Die Bauernvertreter übertreiben es im Moment.»
Doch wie schafft es eine kleine Branche, die Bundespolitik zu dominieren?
Die Erklärung liegt nicht nur im parteiübergreifenden Agrarnetzwerk und in der verbreiteten Sympathie für den Bauernstand. Rücksichtslose Interessenpolitik ist ebenso wichtig. BLICK nennt die Tricks, mit denen die Bauern in Bern einheizen. Manche sind sauber. Viele aber verstossen gegen den politischen Anstand.
Zum Handwerk der Agrarlobby zählen etwa das Einschüchtern und Unter-Druck-Setzen von Gegnern. So geschehen im Dezember 2014. SP-Frau Anita Fetz (BS) erinnert sich, wie Bauernvertreter von der Ratstribüne aus das Stimmverhalten der Ständeräte überwachten: «Wer gegen die Agrarlobby stimmte, wurde von Bauernvertretern seines Kantons bearbeitet.» Die kantonalen Verbände bliesen zur Telefonattacke auf widerspenstige Politiker. Fetz weiss, was das heisst: «Anrufe, auch in der Nacht, sind schon vorgekommen.»
FDP-Noser bestätigt Druckversuche: «Stimme ich gegen die Landwirtschaft, stehen sofort Bauernvertreter an meinem Platz und drohen, mir bei den nächsten Wahlen die Unterstützung zu entziehen.» Ihn beeindrucke das nicht. Manche Politiker überlegten es sich aber sehr genau, ob sie sich die Bauern zu Feinden machen wollten.
Problematisch ist auch die taktische Einwechslung bei Kommissionen. Also in jenen festen Gremien, in denen die politische Grundlagenarbeit stattfindet. Die SVP wechselt ihre Mitglieder gerne aus. Steht Agrarpolitik auf der Traktandenliste, sind die Bankenplatzvertreter «verhindert». An ihrer Stelle rücken Bauernvertreter ein und dominieren die Sitzung. Zum Leidwesen der übrigen Mitglieder. «Es entsteht kein Vertrauen. Es verzögert die Arbeit. Es geht nur um Klientelpolitik», klagt ein WAK-Mitglied.
Sabotage in der Kommission
Dann gibt es die Zermürbungsstrategie. Bei gewissen Geschäften «sabotieren Bauernvertreter die Kommission mit immer neuen Anträgen für Abklärungen, Studien, Evaluationen», sagt GLP-Frau Kathrin Bertschy. «Sie machen immer weiter. Bis sie die Kommission weichgekocht haben.»
Und schliesslich der Mob: Spricht ein Politiker pointiert gegen die Agrarlobby, drängen oft aufgebrachte Bauernvertreter ans Mikrofon, um den Kritiker mit giftigen Fragen und harten Vorwürfen zu drangsalieren.
Am Mittwoch berät der Ständerat die Aufhebung des Cassis-de-Dijon-Prinzips für Lebensmittel. Gut möglich, dass sich die Bauern auch hier durchsetzen. Sie wissen, wie man in Bern Mehrheiten erhält. Markus Ritter, Bauernverbandspräsident, will von fragwürdigem Lobbying aber nichts wissen. «Das Parlament kann man nur überzeugen mit guten, fundierten Argumenten.»