Taskforce beantwortet Fragen der BLICK-Leser
«In der Gondel sollte man möglichst wenig reden»

Dürfen wir noch Weihnachtslieder singen? Wie lange hält die Corona-Impfung? Und wie sinnvoll war das Geburtstagsständchen für Bundesrat Ueli Maurer? Das Leitungsteam der Taskforce nimmt exklusiv Stellung zu den Fragen der BLICK-Community.
Publiziert: 05.12.2020 um 13:10 Uhr
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Aktualisiert: 05.12.2020 um 14:48 Uhr
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Weihnachten im kleinen Kreis – das soll auch dieses Jahr möglich sein.
Foto: Keystone
Ladina Triaca und Pascal Tischhauser

Geballtes Corona-Wissen im Blick-TV-Studio: Drei Mitglieder der wissenschaftlichen Taskforce – Präsident Martin Ackermann (49), Vizepräsidentin Monika Bütler (59) und Vizepräsident Manuel Battegay (60) – stellten sich am Freitag den Fragen der BLICK-Leser. Hier die wichtigsten Antworten zu den Themen Skifahren, Weihnachten und Impfen.

BLICK-Leser Joris Bo: Wieso soll die Zahl der Gäste in Gondeln begrenzt werden, während Trams und Busse masslos überfüllt sind? Das macht keinen Sinn.
Monika Bütler: Es ist schon nicht ganz dasselbe. Wenn ich das Tram benutze, gehe ich normalerweise arbeiten. Wenn ich das Tram oder den Zug nicht mehr benützen kann, dann komme ich nicht mehr an meinen Arbeitsplatz. Aber deshalb macht auch Homeoffice Sinn, bei jenen, die das berufsmässig können.

Martin Ackermann: Wir wissen, was das Ansteckungsrisiko erhöht: Es sind schlecht durchlüftete Innenräume, wo man nahe beieinander ist und keine Maske trägt. Wir müssen uns aber immer überlegen, was die Konsequenzen sind, wenn wir ein gewisses Verkehrsmittel einschränken.

BLICK-Leser Martin Müller: Weshalb gilt in Luftseilbahnen kein Sprechverbot, obschon Studien gezeigt haben, dass wir beim Sprechen mehr Viren freisetzen?
Manuel Battegay: Abstand halten ist das Wichtigste. Bei wenig Abstand, in Innenräumen, dichten Ansammlungen ist die Maske essenziell. Und wenn der Abstand nicht gegeben ist, ist es tatsächlich ebenso wichtig, dass man möglichst wenig spricht. Dabei geht es darum, möglichst wenig Viren zu verteilen, falls jemand positiv ist. Die Bergbahnen könnten über die Lautsprecher darauf hinweisen, dass man im Warteraum, beim Anstehen und in der Gondel möglichst wenig, am besten nicht, reden soll.
Monika Bütler: Das gilt übrigens auch im Tram. Gestern habe ich eine Lehrerin beobachtet, die ihre Drittklässlern angewiesen hat, nur noch leise zu sprechen – und die Kinder haben sich daran gehalten. Ich finde das ein super Beispiel!

Martin Ackermann

Martin Ackermann arbeitet als Professor für Mikrobiologie an der ETH Zürich. Der 49-Jährige leitet die wissenschaftliche Taskforce seit August 2020. Ackermann ist verheiratet und Vater von zwei schulpflichtigen Kindern. Die Familie lebt in Zürich.

Siggi Bucher

Martin Ackermann arbeitet als Professor für Mikrobiologie an der ETH Zürich. Der 49-Jährige leitet die wissenschaftliche Taskforce seit August 2020. Ackermann ist verheiratet und Vater von zwei schulpflichtigen Kindern. Die Familie lebt in Zürich.

Nützt ein zweiwöchiger Mini-Lockdown wie in Graubünden genug, um nachher die Skisaison zu eröffnen?
Martin Ackermann: Der Begriff Lockdown ist verwirrlich. Aber es ist gut, dass der Kanton Graubünden mit der Fallzahlentwicklung Massnahmen trifft. Was wir heute bereits anhand der Daten sehen, ist, dass in der Westschweiz zusätzliche Massnahmen sehr gut genützt haben. In Freiburg haben sich die Fallzahlen alle fünf Tage halbiert.

Können wir uns die Einschränkungen wirtschaftlich überhaupt leisten?
Monika Bütler: Aus der ersten Welle wissen wir: Ein frühes und starkes Eingreifen hilft, dass die Fallzahlen tief bleiben und sich die Wirtschaft rascher erholen kann. Mehr Kranke und Todesfälle betreffen nicht zuletzt Arbeitstätige und ihre Familien in allen Branchen. Als Folge fallen Arbeitskräfte aus, das Gesundheitssystem wird belastet, und die Konsumentenstimmung fällt.

BLICK-Leserin Vreni Büchel: Warum hat die Schweiz viel mehr Tote als andere Länder?
Martin Ackermann: Weil wir mehr Fälle haben als andere Länder. Und die Anzahl Fälle hängt vom Zeitpunkt und der Strenge der Massnahmen ab.

BLICK-Leser Reto Bertschinger: Warum dürfen wir nicht mit mehreren Familien Weihnachten feiern, wenn ich bei der Arbeit mit Menschen aus rund 50 Familien zusammen bin?
Martin Ackermann: Bei der Arbeit hat man Schutzkonzepte – Abstand, Maske, gute Durchlüftung – die man gut umsetzen kann. Ausserdem empfiehlt der Bundesrat auch da Homeoffice. Bei den Feiertagen ist es schwieriger, die Regeln einzuhalten. Grundsätzlich gilt: Möglichst wenig Menschen aus möglichst wenig Haushalten. Ich persönlich halte mit meiner Familie zwei kleine Feiern im Garten, wo wir weniger als zehn Personen sind.

BLICK-Leser Pascal Tobler: Soll man aufs Singen von Weihnachtsliedern verzichten?
Manuel Battegay: Beim Singen können sich die Viren leider besser verbreiten. Da muss man dieses Jahr etwas kreativ sein. Eine Möglichkeit ist, dass man Musik hört und dann – mit Maske – mitsummt. Singen ohne Maske ist ein zu grosses Risiko! Besonders strikt müssen private Schutzkonzepte eingehalten werden, wenn zum Beispiel die Grosseltern dabei sind. Am besten, man bespricht es im Voraus.

Der Nationalrat hat zum 70. Geburtstag von Ueli Maurer ein Ständchen gesungen. Wie denken Sie darüber?
Monika Bütler: Meine Söhne und ihre Freunde waren entsetzt. Sie tragen seit Monaten klaglos bis zu acht Stunden am Tag eine Maske und gehen kaum noch in den Ausgang. Die jungen Menschen, die sich verantwortungsvoll in dieser Pandemie verhalten, empfinden dies als Affront.
Manuel Battegay: Meine Frau singt in einem Chor, unsere Tochter und ihr Ehemann sind Musiker. Ihnen ist das Musikmachen zurzeit weitestgehend verboten, was nachvollziehbar ist. Sie fanden es schwierig, wenn Parlamentarier sich so verhalten. Eigenverantwortung gilt für die ganze Gesellschaft. Solche Signale sollte man künftig vermeiden.

Monika Bütler

Die Ökonomin Monika Bütler (59) ist Professorin an der Uni St.Gallen. Die Expertin für empirische Wirtschaftsforschung ist Mitglied des Leitungsteams der wissenschaftlichen Corona-Taskforce. In der Taskforce sitzt Bütler in der Expertengruppe für Ökonomie.

Keystone

Die Ökonomin Monika Bütler (59) ist Professorin an der Uni St.Gallen. Die Expertin für empirische Wirtschaftsforschung ist Mitglied des Leitungsteams der wissenschaftlichen Corona-Taskforce. In der Taskforce sitzt Bütler in der Expertengruppe für Ökonomie.

BLICK-Leserin Andrea Braun: Bundesrat Berset hat gesagt, im Frühling sei die Impfung da. Kann ich mich dann bei meinem Hausarzt impfen lassen?
Manuel Battegay: Die Impfungen müssen gekühlt werden. Deshalb ist geplant, dass die Impfungen zuerst in grossen Zentren stattfinden. Ob sie später auch auf die Arztpraxen ausgedehnt werden können, werden wir sehen – da ist noch viel Organisationsarbeit zu machen. Sicher ist: Zuerst sollen sich Menschen mit dem Risiko für einen schweren Verlauf – etwa ältere Menschen oder Menschen mit Grunderkrankungen – und Menschen mit einem erhöhten Infektionsrisiko wie Gesundheitsfachpersonen impfen lassen können.

BLICK-Leser Ruedi Löffel: Offenbar ist es so, dass Menschen mehrmals erkranken können, also nicht unbedingt langfristig immun sind. Warum sollte das mit einer Impfung anders sein?
Manuel Battegay: Es ist extrem selten, dass sich in den vergangenen neun Monaten Menschen zweimal mit dem Virus infiziert haben. Das ist mehr als ein Indiz, dass eine natürliche Immunität zumindest Monate anhält und sie bei den meisten Menschen nicht gleich verschwindet. Und die ersten wissenschaftlichen Resultate, die wir haben, zeigen eine 95-prozentige Impfwirkung – das ist sehr vielversprechend.

BLICK-Leser Hans Aegerter: Wie lange wirkt die Impfung?
Manuel Battegay: Das wissen wir wirklich noch nicht. Vielleicht müssen wir uns jährlich, vielleicht nur alle zwei, drei Jahre impfen lassen.

Was, wenn die Impfung da ist und wirkt?
Manuel Battegay: Es kommt darauf an, wie schnell man möglichst viele Menschen mit einem Risiko impfen kann. Wenn sich die gute Wirksamkeit bestätigt, dann wird sich die heutige Situation sicher grundlegend zum Besseren verändern. Meine Hoffnung ist, dass die Impfungen bis im August derart zahlreich erfolgt sind, dass wir in einen viel besseren Herbst und Winter als in diesem Jahr starten können.
Monika Bütler: Auch ich bin zuversichtlich. In der Ökonomie kennen wir das aus Nachkriegszeiten und von anderen Krisen. Wenn das Ende einer Krise absehbar ist, investieren die Unternehmen wieder. Die Wirtschaft erholt sich dann sehr schnell.
Martin Ackermann: Corona ist für alle Menschen eine sehr anspruchsvolle Zeit. Es ist für alle auch ein konstanter Lern- und Anpassungsprozess. Mein Motto lautet: Jetzt gemeinsam umsichtig handeln, damit es im Verlauf von 2021 gut kommt. Ich freue mich jedenfalls sehr darauf, wenn das Leben wieder etwas unbeschwerter sein darf.

Manuel E. Battegay

Manuel E. Battegay ist Chefarzt für Infektiologie und Spitalhygiene am Universitätsspital Basel. Er arbeitet seit über 30 Jahren im Bereich der Infektionskrankheiten und gilt als renommierter HIV-Experte. Der 60-Jährige ist Teil des vierköpfigen Leitungsteams der Taskforce.

Siggi Bucher

Manuel E. Battegay ist Chefarzt für Infektiologie und Spitalhygiene am Universitätsspital Basel. Er arbeitet seit über 30 Jahren im Bereich der Infektionskrankheiten und gilt als renommierter HIV-Experte. Der 60-Jährige ist Teil des vierköpfigen Leitungsteams der Taskforce.


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