Lausanne ist das Herz der olympischen Bewegung. Oberhalb des Genfersees befindet sich der Hauptsitz des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Und das Olympische Museum lockt Touristen aus aller Welt an.
Hier empfängt der Präsident von Swiss-Olympic, SVP-Nationalrat Jürg Stahl (50), BLICK zum Gespräch über die Olympia-Kandidatur Sion 2026 und das Geldspielgesetz. Beide Vorlagen tangieren den Sport. Und beiden droht der Absturz. «Der 10. Juni ist ein Schicksalstag für den Schweizer Sport», sagt er.
BLICK: Am 10. Juni stimmen die Walliser über die Olympia-Kandidatur 2026 ab. Und die Schweiz über das Geldspielgesetz. Welche Abstimmung ist Ihnen als Swiss-Olympic-Präsident wichtiger?
Stahl: Ein Nein zum Geldspielgesetz untergräbt das Fundament unseres Sports ganz grundsätzlich. Denn unser Sport hat von den vielen kleinen und unbürokratischen Beiträgen des Lotteriefonds stark profitiert. Das wäre in Frage gestellt. Olympia hingegen ist ein Projekt der Leidenschaft. Die beiden Vorlagen sind deshalb nicht wirklich vergleichbar.
Ein Nein zum Geldspielgesetz würde erst mal gar nichts ändern. Wieso sagen Sie, das Fundament des Sports würde untergraben?
Unser Sport-Toto-System und der Einsatz der Lotteriegelder für den Sport haben in den letzten Jahrzehnten sehr gut funktioniert. Nicht nur, aber auch deshalb ist der Schweizer Sport, wo er ist: Am letzten Wochenende feierten wir Silber an der Eishockey-WM und Weltcup-Siege unserer Mountainbiker Nino Schurter und Jolanda Neff. Wir haben eine starke Fussball-Nati und den weltbesten Tennisspieler. Solche Erfolge wären bei einem Nein zum Geldspielgesetz künftig in Gefahr.
Sie übertreiben!
Nein, das Risiko ist real, weil in der Sportförderung viel Geld fehlen würde. Ein Nein wäre ein Schlag für all jene, die sich ehrenamtlich für den Sport einsetzen. Es wäre ein Nein zum Schweizer Sport.
Nochmals: Ein Nein zum Geldspielgesetz würde vorerst den Status quo zementieren.
Der Online-Geldspielmarkt wächst, und bei einem Nein würden die illegalen Offshore-Online-Geldspielseiten weiterhin unkontrolliert Marktanteile gewinnen. Dies ohne Schutz vor Spielsucht, und es würden wie bisher über 250 Millionen Franken ins Ausland abfliessen. Jedes Jahr, Tendenz steigend.
Mit einem neuen, besseren Gesetz könnte man doch auch die ausländischen Glücksspielanbieter konzessionieren. Und damit sogar noch mehr Geld für den Sport herausholen.
Das ist eine waghalsige Aussage. Ein besseres Gesetz in den nächsten paar Jahren ist illusorisch. Die internationalen Wettkonzerne mit Sitz auf Malta oder Gibraltar mit einem Schweizer Gesetz regulieren zu wollen, ist nicht realistisch. Deshalb geben auch andere Länder, wie etwa Dänemark, nur selektiv Konzessionen und schützen diese mit Netzsperren.
Ist in einem liberalen Land wie der Schweiz dazu tatsächlich Internetzensur via Netzsperre nötig?
Das Internet würde nicht zensuriert! Die Schweizer Konsumenten werden vor den Internet-Geldspielseiten geschützt, die illegal auf Schweizer Kunden zielen. Der Zugriff auf diese Webseiten wird auf eine Stopp-Site umgeleitet. Es gibt in unserem täglichen Leben diverse Einschränkungen – sinnvollere und weniger sinnvolle. Netzsperren beim Glücksspiel sind eine kleine Einschränkung.
Da müssen Sie auch Ihre Partei kritisieren. In der SVP ist der Widerstand gegen das Geldspielgesetz wie auch gegen die Olympia-Kandidatur gross. Hat Ihre Partei kein Herz für den Sport?
Die SVP ist nicht unsportlich. Beim Geldspielgesetz hat sie wenigstens Stimmfreigabe beschlossen. Und bei Olympia muss man genau hinschauen. Die SVP Oberwallis ist für die Spiele und die SVP Unterwallis hat weiterhin an der Abwahl von Oskar Freysinger zu beissen und bekämpft nun alle Regierungsanliegen.
Bei Sion 2026 ist die Kritik doch berechtigt: Wieso soll die Schweiz Milliarden für einen Spiel-und-Spass-Event ausgeben?
Es geht nicht ums Geld, sondern um Emotionen. Weil Olympische Spiele etwas in einer Gesellschaft auslösen, das nicht monetär gefasst werden kann. In der heutigen Gesellschaft kommt das zu kurz. Wir werden immer effizienter und immer digitaler. Das analoge Messen Mann gegen Mann oder Frau gegen Frau müsste aber ebenso ein wichtiges Element in unserer Gesellschaft sein.
Nur: die Schweiz brennt nicht darauf, solche Spiele mit einem Mega-Event zu organisieren. Selbst in den Austragungsorten ist die Skepsis riesig, wie Umfragen zeigen.
Es ist doch egoistisch, dass wir Olympische Spiele am TV verfolgen, uns über Erfolge freuen, aber nie Gastgeber sein wollen.
Die Schweiz möchte schlicht keine Spiele organisieren, die vom Internationalen Olympischen Komitee diktiert werden. Und das Risiko eines Schuldenbergs tragen.
Wir haben die Zusicherung, dass kleinere Spiele möglich sind. Und können das jetzt beweisen. Sonst finden die Spiele sonstwo statt und wir können einzig die Vergabe kritisieren. Aber klar: Wenn man Olympische Spiele organisieren will, braucht es gewisse internationale Regeln, die vorgegeben sind. Wir können doch nicht einfach einen kleinen lustigen Anlass im Februar 2026 vorschlagen. Wir möchten mit bescheidenen Spielen die grosse Olympia-Tradition weiterführen.
Nicht bescheiden ist Ihr Lohn. Als OK-Präsident von Sion 2026 erhalten Sie für das Teilzeitpensum einen Jahreslohn von 120'000 Franken. Weitere 120'000 als Swiss-Olympic-Präsident und nochmals so viel als Nationalrat.
Es sind anständige, aber marktübliche Löhne. Man kann das als mittelmässig bescheiden betrachten. Für das OK-Präsidium habe ich auf einen guten Job bei der Groupe Mutuel verzichtet, der mir finanziell mehr eingebracht hätte.
Falls die Walliser am 10. Juni Ja sagen und die Olympia-Reise weitergeht, beenden Sie dann Ihre Nationalratskarriere?
Im September 2019 würden die Spiele vergeben. Die internationale Phase der Kandidatur würde genau auf den Wahlkampf 2019 fallen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das parallel machen könnte. Das wäre schwierig für die Partei. Deshalb würde ich in diesem Fall vorzeitig zurücktreten.
Eine erneute Nationalratskandidatur 2019 ist aber auch bei einem Olympia-Nein vom Tisch?
Ja, 20 Jahre sind genug. Das Nationalratspräsidium im letzten Jahr war unbestritten der Höhepunkt meiner Karriere. Deshalb werde ich mich in absehbarer Zeit auf meine Familie und den Sport konzentrieren. Das ist definitiv meine letzte Legislatur.
Seit 1999 sitzt der Zürcher Jürg Stahl (50) für die SVP im Nationalrat. Dabei hat sich der diplomierte Drogist als Gesundheits- und Sportpolitiker profiliert. Den Höhepunkt seiner politischen Karriere markiert das Nationalratspräsidium 2016/2017. Von 2004 bis 2017 war er Direktionsmitglied der Groupe Mutuel Versicherungen. 2008 wurde er Mitglied im Exekutivrat von Swiss Olympic und übernahm 2017 das Präsidium. Er ist seit 2012 verheiratet, Vater einer Tochter und wohnt in Brütten. Zu seinen Hobbys zählt er – neben Sport – Lesen, Jassen und Sammeln von Taschenmessern.
Seit 1999 sitzt der Zürcher Jürg Stahl (50) für die SVP im Nationalrat. Dabei hat sich der diplomierte Drogist als Gesundheits- und Sportpolitiker profiliert. Den Höhepunkt seiner politischen Karriere markiert das Nationalratspräsidium 2016/2017. Von 2004 bis 2017 war er Direktionsmitglied der Groupe Mutuel Versicherungen. 2008 wurde er Mitglied im Exekutivrat von Swiss Olympic und übernahm 2017 das Präsidium. Er ist seit 2012 verheiratet, Vater einer Tochter und wohnt in Brütten. Zu seinen Hobbys zählt er – neben Sport – Lesen, Jassen und Sammeln von Taschenmessern.