SVP will Klimawandel mit Inländervorrang für Lebensmittel stoppen – doch der Plan geht nicht auf
Regional einkaufen ist nicht besser fürs Klima

Das Klima retten durch regionale Produkte – dieser logisch klingende Plan geht nicht auf: Denn nicht immer haben regionale Produkte eine bessere CO2-Bilanz als importierte Waren.
Publiziert: 15.07.2019 um 09:18 Uhr
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Aktualisiert: 16.07.2019 um 16:03 Uhr
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Äpfel aus dem Ausland sind unter Umständen besser für die Klimabilanz als solche aus der Schweiz.
Foto: Keystone
Lea Hartmann, Sermîn Faki

Regional statt global – diese Formel gilt als eines der besten Rezepte, um die Klimaerwärmung zu stoppen. In der BLICK-Umfrage zum Klima gaben im Frühling etwa 90 Prozent der Schweizer an, dass sie aus Klimaschutzgründen darauf achten, regionale Lebensmittel zu kaufen. 

Regional statt global – darauf setzt auch die Politik. «Wir müssen regionale Lebensmittel produzieren, beim Hausbau Schreiner und Maurer aus der Region beschäftigen», sagte SVP-Präsident Albert Rösti (51) kürzlich im Interview im «Tages-Anzeiger». Mit diesem Inländervorrang will er den CO2-Ausstoss vermindern.

Treibhaus kann klimaschädlicher sein als Transport

Doch kann man mit einem Apfel vom Bauern nebenan statt aus Südafrika wirklich das Klima retten? Zahlreiche Studien zeigen: nicht wirklich. Bei einigen Gemüse- und Früchtesorten kann das regionale Produkt sogar zu einem höheren CO2-Verbrauch führen als das importierte. Der Bundesrat hält deshalb in seinem Bericht zur Agrarpolitik der nächsten Jahre fest, dass die Treibhausgasemissionen «auch mit weniger Inlandproduktion und vermehrtem Import» reduziert werden könnten. 

Ein solches Beispiel sind Tomaten – nach den Rüebli das zweitbeliebteste Gemüse in der Schweiz. Laut einer Untersuchung der ETH sind Tomaten im Mai, Juni und Oktober aus nahe gelegenen, wärmeren Ländern wie Italien und Spanien sogar klimafreundlicher als solche aus der Schweiz. Denn das Heizen des Schweizer Gewächshauses mit Öl oder Gas ist CO2-intensiver als der Transport mit dem Lastwagen. Ausserhalb der Saison kann es also durchaus Sinn machen, auf die Tomaten von weiter weg zurückzugreifen.

Besser, wenn der Apfel weit vom Stamm fällt?

Auch wer derzeit beherzt in einen Schweizer Apfel – die beliebteste Frucht hierzulande – beisst, den sollte das Klima-Gewissen plagen: Die meisten einheimischen Äpfel, die derzeit verkauft werden, wurden im letzten Herbst geerntet. Um sie frisch und knackig zu halten, wurden sie über Monate in speziellen Kühlhäusern gelagert, befeuchtet und beatmet. Berücksichtigt man auch die dadurch verursachten Emissionen, kann die CO2-Bilanz schlechter sein als bei importierten Früchten aus Südafrika oder Neuseeland.

Dabei gilt der Grundsatz: Je länger gelagert, desto kleiner der Vorteil des einheimischen Apfels. Ab Juni kann der Übersee-Apfel klimaschonender sein. Allerdings nur, wenn er mit dem Schiff transportiert wurde – Flugobst schneidet nie gut ab.

Selbst bei Zucker muss man aufpassen

Eine Berechnung der Stiftung Myclimate kommt selbst bei Zucker zu einem überraschenden Ergebnis: Ein Kilo Bio-Zucker von Max Havelaar aus Paraguay, das mit dem Schiff nach Europa kam, verursacht viel weniger Treibhausgas-Emissionen als ein Kilo Zucker aus der Schweiz. Dies, weil der südamerikanische Zucker aus Zuckerrohr hergestellt, unser Zucker hingegen aus Zuckerrüben gewonnen wird. Der Zuckerrüben-Anbau ist viel CO2-intensiver, ebenso wie die Herstellung des Zuckers aus den Rüben.

Die Schweizer Zucker AG hingegen weist darauf hin, dass die Studie von 2010 stammt und «heute nicht mehr herangezogen werden kann». Zudem seien in dieser Studie wesentliche Daten lediglich geschätzt und nicht abgeklärt worden. Schweizer Zucker weist ausserdem auf eine eigene Studie hin, die belegt, dass Schweizer Zucker das Klima weniger belastet als Zucker aus der EU.

CO2-Label gefordert

Das Problem, nicht nur beim Zucker: Viele Konsumenten wissen nicht mehr, wie Lebensmittel genau hergestellt werden und auf welchem Weg sie in die Schweiz gelangen. Da auf einem Produkt im Laden meist nur ersichtlich ist, woher es kommt – nicht aber, wie es genau produziert wurde und wie es in den Laden kam – ist es oftmals schwierig, den CO2-Abdruck abzuschätzen. 

BDP-Nationalrat Hans Grunder (63) will den Konsumenten helfen. Er hat kürzlich einen Vorstoss eingereicht, der die Einführung eines CO2-Labels fordert. So wie auf Kühlschränken und Waschmaschinen eine Energieetikette klebt, soll das CO2-Label bei Lebensmitteln eingesetzt werden: «Durch diese einfache Massnahme soll ein Anreiz geschaffen werden, CO2-arme Lebensmittel zu kaufen», erklärt Grunder. Zudem würde dadurch auch die einheimische Produktion gefördert – zumindest dann, wenn das heimische Produkt auch wirklich klimafreundlicher ist als das Pendant aus dem Ausland.

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