Noch leckt die SVP nach der krachenden Niederlage mit der Selbstbestimmungs-Initiative ihre Wunden. «Aber selbstverständlich stehen wir auf wie gute Wettkampfsportler, machen dann in Ruhe unsere eigenen vertieften Analysen und bereiten uns mit ganzer Kraft auf den nächsten Hosenlupf vor», schaut Nationalrat Adrian Amstutz (64, BE) schon wieder in die Zukunft.
Dass die Partei die Abstimmung selbstkritisch analysiert, fordert auch Christoph Blocher (78) auf seinem Internet-TV Teleblocher. Es stelle sich schon die Frage, ob die SVP das Volk nicht mehr überzeugen könne, so der SVP-Übervater.
Vier Themenfelder zu beackern
Vier Grundprobleme muss die SVP diskutieren. Im Gespräch mit BLICK wurden sie sowohl von SVP-Wahlkampfleiter Amstutz und SVP-Programmchef Peter Keller (47, NW) wie auch von SVP-Scharfmacher Andreas Glarner (56, AG) und SVP-Finanzchef Franz Grüter (55, LU) sofort angesprochen.
> Mobilisierung: «Die SVP holte bedenklicherweise nur vier Prozent mehr als ihr eigenes Elektorat», hat Grüter gerechnet. «Dabei hätten wir noch viele Leute auf unserer Seite», meint Amstutz. «Aber zu viele haben seit der völligen Nicht-Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative durch die Mitte-links-Mehrheit im Bundeshaus resigniert.» Sie hätten ihm gesagt, es nütze ja eh nichts mehr, abstimmen zu gehen. Die in Bundesbern machten trotz klarem Volksauftrag, was ihnen passe.
Diese Menschen wieder zum Wählen und Abstimmen zu motivieren, ist für Wahlkampfleiter Amstutz die grösste Herausforderung im Hinblick auf die Wahlen 2019. Die Partei müsse ihren Sympathisanten klarmachen, dass es eindeutig mehr SVP im Parlament brauche. Die grösste Fraktion will so den Druck erhöhen, «damit die anderen Parteien Volksaufträge wieder umsetzen helfen, auch wenn ihnen diese nicht passen».
>Themenwahl: An der Ausrichtung der Selbstbestimmungs-Initiative war aus SVP-Sicht nichts falsch: Sie richtete sich gegen die EU und gegen fremde Einmischung, und indem sie das Abkommen mit der Personenfreizügigkeit gefährdet hätte, führte sie auch das Thema Migration im Gepäck. «Aber sie war offensichtlich noch zu abstrakt und zu juristisch», so Programmchef Keller – oder wie Amstutz und Grüter sagen: «Die Initiative hat die Menschen in diesem Land nicht direkt betroffen.» Bei der Masseneinwanderungs-Initiative zum Beispiel hätten viele Angst um ihre eigenen Jobs gehabt.
> Timing: «Wir waren einfach ein paar Jahre zu früh», ist Glarner überzeugt. Die Frage, wer in der Schweiz das Sagen habe – das Volk oder ausländische Richter und Institutionen –, komme mit dem Rahmenabkommen, dem dynamischen EU-Recht garantiert wieder aufs Tapet. Auch früher habe die SVP jeweils den Boden für latente Themen erst planieren müssen, erinnert sich Keller. «So war die grosse Zustimmung des Volks zum neuen Gesetz zu den Sozialdetektiven eigentlich ein Riesenerfolg für die SVP. Sie war es, die das Thema Bekämpfung des Sozialmissbrauchs und der Scheininvaliden bis weit nach links salonfähig gemacht hat.»
> Stil: Die aktuelle Abstimmungskampagne kam ungewohnt brav, emotionslos und ohne SVP-Logo daher. «Ich habe diesen Versuch unterstützt», so Glarner, der Mann fürs Unzimperliche bei der SVP. «Das Problem war jedoch, dass wir keinen Plan B hatten. Es gelang uns nicht, zurückzuschlagen, als die Economiesuisse ihre aggressive Kampagne und ihre Jammer-Argumente auffuhr.» Die Anliegen der Selbstbestimmungs-Initiative seien in der öffentlichen Wahrnehmung untergegangen, findet auch Keller.
Blocher findet Ausmass des Anti-SVP-Reflexes bedenklich
Für Wahlkampfleiter Amstutz ist deshalb klar: «Die Lehren sind aus Niederlagen wie aus Erfolgen zu ziehen.» An seinem Konzept für die Wahlen in einem Jahr ändere die Niederlage vom Sonntag aber nichts.
Auch Keller wird das Parteiprogramm nicht umschreiben: «Die Kernpunkte waren schon vor vier, acht und zwölf Jahren da und sie werden die gleichen bleiben.»
Gedanken sollte sich laut Blocher aber die Anti-SVP-Liga machen. Zwar könne eine erfolgreiche Partei wie die SVP keine Freunde bei anderen Parteien erwarten. Aber es sei unschweizerisch, «wenn man gar nicht mehr schaut, was einer sagt, sondern nur noch, wo er herkommt».