Es war ein Bundesratswahlkampf, wie ihn die Schweiz noch nie gesehen hatte: Seit Didier Burkhalter (57) Ende Juni seinen Rücktritt bekannt gab, drehte sich das Kandidatenkarussell der FDP auf Hochtouren. Ignazio Cassis (56), Pierre Maudet (39) und Isabelle Moret (46) waren den ganzen Sommer in den Medien präsent. Doch die entscheidenden Auftritte hatten die drei hinter verschlossenen Türen bei den Fraktionen der anderen Parteien. Dies will SVP-Nationalrat Lukas Reimann (35) nun ändern.
Bei den Hearings wurden die drei Kandidaten – unter Ausschluss der Öffentlichkeit – von den jeweiligen Fraktionen grilliert. Das Problem: Die Kandidaten können ihre Antworten den Zuhörern anpassen. Bei der SP einen auf sozial und Bildungspolitiker machen, bei der SVP den harten Migrationskurs unterstützen, bei der CVP familienfreundlich argumentieren und bei den Grünen Umweltthemen betonen.
Diese Wendehals-Taktik ärgert SVP-Nationalrat Lukas Reimann (35). «Da alle Fraktionen für sich den Kandidierenden die Fragen stellen, kann sich beim Hearing niemand sicher sein, wer die Wahrheit erzählt und wer nicht», schreibt der St. Galler in einer neu eingereichten Motion. Und Reimann nennt ein pikantes Beispiel: So habe Ignazio Cassis beim SVP-Hearing auf die Frage, ob er vor der SP-Fraktion dieselbe Vorstellung abgeben würde, gesagt: «Ich bin doch nicht dumm.»
«So entwaffnend ehrlich diese Antwort auch ist, so klar zeigt sie die Problematik der aktuellen Hearing-Verfahren auf», meint Reimann.
Auch «ganz ehrliche Kandidaten» müssten sich fragen, schreibt Reimann in seinem Motionstext, «ob nur Kandidaten, die jeder Partei nach dem Mund reden», gewählt würden. Intransparenz und mangelnde Öffentlichkeit seien «nicht mehr zeitgemäss und fördern die Unehrlichkeit».
Der SVP-Politiker betont, dass Mitglieder aller Fraktionen den Status quo kritisieren. Die heutigen Hearings seien sogar «sinnlos, weil man sich so kein unvoreingenommenes Bild der Kandidierenden machen kann und das Gefühl der Anbiederung an die jeweilige Partei bleibt».
Seine Lösung: Kandidaten-Grill überparteilich – und vor allem öffentlich. «Alle Fraktionen können so die ehrliche Meinung der Kandidaten beurteilen und im Falle einer Wahl ihr Handeln und ihre Versprechen und Ansagen vergleichen.»
«So liessen sich unbürokratisch ganz viele unwirksame, sinnlose Hearings durch ein einziges, aber wirksames Hearing ersetzen», schreibt Reimann.
Reimann hofft, dass man mit seiner Idee «unfairen Spielen und der Nomination von Sprengkandidaten durch andere Fraktionen» die Grundlage entziehen kann. Zumindest könnte eine kurzfristige und opportunistische Mitgliedschaftt, wie jene von Cassis bei Pro Tell, so eventuell aufgedeckt werden.