Das Geheimnis steckt in ihrem Glauben: Weil Karin Bertschi (27) seit ihrer Kindheit Mitglied einer Freikirche ist, passen bei der Aargauer Grossrätin konservative SVP-Werte und eine ausgeprägte soziale Ader unter einen Hut. «Ohne kirchlichen Hintergrund würde ich keine Asylsuchenden beschäftigen», sagte die Recycling-Unternehmerin im «Reporter», den SRF am Ostersonntag ausstrahlte.
Politisiert wurde die SVP-Frau, die mit vielen ihrer Positionen auch in die FDP oder CVP passen würde, durch die Abtreibungsdebatte. Die Haltung von Vertretern christlicher Parteien in dieser Frage habe sie zur SVP gebracht, so Bertschi.
Diese Parteimitgliedschaft hindert sie aber nicht daran, in ihrem Familienbetrieb Asylsuchende zu beschäftigen. In der Bibel heisse es: «Schenke ihm keinen Fisch, lerne ihn fischen», predigt Bertschi. «Ich habe zu vielem eine eigene Meinung.»
Ungeduldig, aber zäh
Diesen Eigenheiten und Widersprüchen ist die Hintergrundsendung von Reporter Christian Vogt gewidmet. Aber auch ihrer Tätigkeit als Unternehmerin in einer Männerbranche. So ist zu sehen, wie sie ein Bauprojekt für einen neuen Recycling-Sammelhof in Spreitenbach AG vorantreibt, zu dem anfänglich nur eine befristete Baugenehmigung vorliegt. Ein zäher Kampf für Bertschi, die von sich sagt, nicht mit Geduld gesegnet zu sein.
Bertschi gelingt es dann aber, die Behörden von ihrem Projekt zu überzeugen. Das Fotoshooting zum Spatenstich absolviert sie in einem Blazer aus der Altkleidersammlung, den sie zuvor ihrer Familie vorgeführt hat. Wie «eine Grüne» will sie partout nicht aussehen.
Vor SVP-Grössen wie dem ehemaligen Parteipräsidenten Toni Brunner (43) macht Bertschi keinen Bückling. Ihr Förderer muss sich lockere Sprüche von ihr anhören. Doch der St. Galler SVP-Nationalrat lacht nur. «Sie hockt nicht aufs Maul», so Brunner.