Das gibt es selten. Ein Politiker tritt bei den eidgenössischen Wahlen an, wird in den Nationalrat gewählt und will dann doch nicht. Der Genfer Charles Poncet (76) bleibt lieber Kantonsrat und lässt seinem Parteikollegen Thomas Bläsi (52) den Vortritt. Demokratiepolitisch ist das heikel, was auch Poncet so sieht. Aber er findet, es sei systemkonform.
Blick: Herr Poncet, warum wollen Sie nicht nach Bundesbern?
Charles Poncet: Es ist nicht so, dass ich nicht will.
Sie haben heute Ihren Verzicht bekannt gegeben.
Ich wäre gerne in den Nationalrat eingezogen, wenn die SVP in Genf einen dritten Sitz erobert hätte. Doch die Mitte hat uns verraten.
Was meinen Sie mit Verrat?
Unser Ziel war es, die SVP-Nationalrätin Céline Amaudruz in den Ständerat zu hieven. Wie abgemacht, haben uns die FDP und andere Parteien dabei unterstützt. Doch die Mitte hielt sich nicht an die Abmachung.
Nicht alle Neugewählten wollen sofort nach Bundesbern
Warum sind Sie überhaupt angetreten?
Weil wir den dritten Nationalratssitz wollten. Doch dieser blieb uns verwehrt. Denn die Listenverbindung mit Mouvement citoyens genevois (MCG) hat uns nichts gebracht. Stattdessen konnte MCG zwei Sitze gewinnen.
Dennoch: Sie hätten es in den Nationalrat geschafft.
Ich bin dafür dankbar. Aber für mich stellte sich die Frage, ob ich Thomas Bläsi aus dem Nationalrat schmeissen möchte. Denn er war bereits in der letzten Legislatur im Parlament, ist in der Gesundheitspolitik sehr versiert und 52 Jahre alt. Ich bin ein alter Sack und will kein junges Talent verdrängen (lacht).
Letztlich hat die Mehrheit des Volks Sie gewählt – und nicht Bläsi.
Es ist heikel, keine Diskussion. Aber es ist systemkonform. Wer in der Schweiz gewählt wird, muss seine Wahl nicht annehmen. So hat es das Gesetz vorgesehen. Die Wählenden sind sich dessen bewusst.
Werden Sie bei den nächsten eidgenössischen Wahlen erneut antreten?
Ich bin 76 Jahre alt! In diesem Alter trete ich bestimmt nie wieder an. Ich bleibe aber noch etwas im Genfer Kantonsrat – und hoffentlich kann ich der SVP noch ein bisschen nützlich sein.