SVP-Nationalrat Sebastian Frehner will Steuergelder für Aufklärung streichen
«Das ist Propaganda für Früh-Sexualisierung!»

Riesenkrach um die Sexualaufklärung für Kleinkinder: SVP-Nationalrat Sebastian Frehner will der «Sexuellen Gesundheit Schweiz» die Steuergelder streichen. Diese verteidigt sich vehement – und bezichtigt Frehner der Steuergeldverschwendung.
Publiziert: 09.03.2018 um 17:50 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 22:16 Uhr
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Will keine Sexualaufklärung für Kleinkinder: Sebastian Frehner (SVP, BS).
Foto: Keystone
Cinzia Venafro

Das sei schlicht «Frühsexualisierungs-Propaganda!» Der Basler SVP-Nationalrat Sebastian Frehner (44) – bekannt als Kritiker von Sexualunterricht an Schulen, hat es auf die Arbeit der Stiftung Sexuelle Gesundheit Schweiz abgesehen.

«Konkret störe ich mich daran, dass gemäss Sexuelle Gesundheit Schweiz auch Sexualaufklärung bei Kleinkindern im Alter von 0 bis 4 Jahren angestrebt werden soll», sagt Sebastian Frehner.

Darum hat er im Nationalrat eine Interpellation eingereicht. Frehner will unter anderem vom Bundesrat wissen, wie viel Steuergelder an Sexuelle Gesundheit Schweiz fliessen.

Dorn im Auge Frehners: Die sogenannte «Frühsexualisierung». In einer kürzlich in Englisch veröffentlichten Publikation von Sexuelle Gesundheit Schweiz kommt das Thema Frühsexualisierung zur Sprache», erläutert Frehner.

Krach um «Frühkindliche Masturbation»

«Unumwunden wird die Empfehlung abgegeben, dass alle Kinder in der Schweiz Zugang zu Sexualunterricht nach WHO-Standards haben sollten», sagt Frehner. «Und diese WHO-Standards sprechen bei Kindern zwischen 0 bis 4 Jahren von ‹Vergnügen und Lust, den eigenen Körper zu berühren› sowie ‹frühkindliche Masturbation›.» Und das sei nichts anderes als «Frühsexualisierungs-Propaganda!»

Sebastian Frehner bezichtigt die Stiftung Sexuelle Gesundheit Schweiz der «Propaganda für Frühsexualisierung».
Foto: GAETAN BALLY

Darum fordere er die Streichung von Steuergeldern an Organisationen wie Sexuelle Gesundheit Schweiz. Das wäre ein einschneidender Eingriff in die Finanzen der Stiftung. Sie finanziert sich zu 60 Prozent mit Geldern vom Bund – 2017 waren es 936'000 Franken. Damit finanziert die Fachstelle verschiedenste Projekte rund um die sexuelle Gesundheit der Schweizer. Unter anderem arbeitet sie eng mit der Aidshilfe zusammen oder ist federführend in der Beratungsarbeit zu Schwangerschaft, Verhütung und Sexualität.

Aufklärung dem Alter entsprechend

Barbara Berger, Geschäftsführerin von Sexuelle Gesundheit Schweiz, wehrt sich vehement gegen den Vorwurf der Steuergeld-Verschwendung. «Steuergelder, wie übrigens auch Projektbeiträge, müssen immer transparent und nachvollziehbar eingesetzt werden», sagt Berger und schiesst zurück: «Frehner betreibt Steuerverschwendung, indem er die Verwaltung mit Fragen beschäftigt, die der Bundesrat erst gerade beantwortet hat.»

Barbara Berger, Geschäftsleiterin Stiftung Sexuelle Gesundheit Schweiz.
Foto: zvg

Damit spielt Berger auf ein ähnlich lautendes Postulat von CVP-Nationalrat Fabio Regazzi (55) an. Darauf gab es vor wenigen Tagen Antworten vom Bundesrat. Frehners Interpellation sei also obsolet und reine Stimmungsmache.

Und sie verwehrt sich des Vorwurfs der «Frühsexualisierungspropaganda». «Sexualität von Kindern hat nichts mit dem Verständnis von Sexualität von Erwachsenen zu tun», betont Berger.

Sie sei zudem «der Entwicklung und dem Alter des Kindes oder der Jugendlichen entsprechend angesetzt». Wichtig in den Augen der Fachfrau: «Die Sexualität von Kindern ist selbstbezogen und nicht auf Partner ausgerichtet. Kindliche Neugier und Interesse für Sexuelles gehören zur normalen Entwicklung jedes Kindes!» Das hält auch der Bundesrat in seiner Antwort an das Postulat von Regazzi fest.

Damit Kinder auch «Nein» sagen können

«Wir sind uns einig, uns gegen Sexualisierung einzusetzen. Wir tun dies, indem wir Kindern Kompetenzen vermitteln, um sich gegen Sexualisierung und auch Übergriffe zu wehren», sagt Barbara Berger. «Indem sie nämlich ihren Körper kennen und benennen können und auch wissen, was sie nicht wollen, wie das auch die WHO-Standards für ganzheitliche Sexualaufklärung definieren.»

Dies «Frühsexualisierung» zu nennen und anzudeuten, «Kinder würden zu frühkindlicher Masturbation angeleitet, hat mit einer reinen Politisierung der Angst zu tun», sagt Berger und betont: «Eltern wollen ihre Kinder schützen. Wir auch. Aber nicht, indem wir ihnen keinen Zugang zu Wissen geben, sondern indem wir ihnen Kompetenzen vermitteln, die ihrer Entwicklung und ihrem Alter angemessen sind.» Das sei ganzheitliche Sexualaufklärung und respektiere das Menschenrecht jedes Kindes auf Wissen. 

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