Der Bund erlaubt neu elektronische Abstimmungen in den Kantonen – auch bekannt als «E-Voting». Dabei schmetterte Bundeskanzler Walter Thurnherr (54) allfällige Bedenken in Bezug auf die Cyber-Sicherheit dieses Systems ab: Es bestehe «ein vertretbares Risiko».
Die Gefahr ist für viele Politiker von links bis rechts jedoch virulent. Entsprechende Vorstösse gegen das E-Voting haben Cédric Wermuth (32, SP), Balthasar Glättli (46, Grüne) und Franz Grüter (54, SVP) im Nationalrat bereits eingereicht. Zudem arbeitet Grüter an einer Volksinitiative, die ein Moratorium fürs E-Voting einführen soll.
Aktuelle Systeme «genügen nicht»
SVP-Nationalrat Grüter ist Geschäftsführer der IT-Firma Green.ch und steht im Kampf gegen die elektronischen Abstimmungen an vorderster Front: «Das E-Voting ist eine Gefahr für die Schweizer Demokratie!» Die Abstimmungs- und Wahlsysteme seien zentral für die Glaubwürdigkeit der Demokratie. «Das bieten die aktuellen E-Voting-Systeme aber nicht», so Grüter zu BLICK.
Um die Sicherheit zu gewährleisten, müssten die Daten dezentral gespeichert werden und nicht in zentralen Datenbanken. Zudem müsste die Rückverfolgbarkeit, zum Beispiel über dezentrale Urnen- oder Wahlbüros, sichergestellt werden können.
Aus Sicht des Datenschutzes stellt sich dazu die Frage, ob das Stimmgeheimnis gewährleistet wird. Beispielsweise könnten Computer-Viren in Privathaushalten diese Informationen abfangen.
Beat Rudin, Präsident der Konferenz der schweizerischen Datenschutzbeauftragten, sagt zu BLICK: «Es braucht eine umfassende Abschätzung der Risikofolgen von E-Voting.» Letztlich müsse jedoch die Politik die Frage beantworten, wie viel Unsicherheit die Demokratie verträgt.
«Auf beiden Augen blind!»
Doch nicht nur die Strukturen der E-Voting-Systeme bemängelt Grüter. Er zweifelt auch an der allgemeinen Schweizer Cyber-Sicherheit. Kritische Infrastrukturen wie AKW, Spitäler oder Verkehrsinfrastrukturen liessen sich mit Cyberangriffen manipulieren oder gar empfindlich stören. «Auf dieses Szenario sind wir schlecht vorbereitet. Wir sind hier sogar auf beiden Augen blind!», warnt er.
Der Fall Ruag verdeutliche das. Während 18 Monaten flossen heikle Daten der staatlichen Rüstungsfirma in fremde Hände. «Bemerkt hat das niemand», sagt Grüter. «Ausländische Geheimdienste mussten uns darüber aufklären.»
Dennoch hält der Bundesrat an seinem Entschluss fest: Bis 2019 soll E-Voting in den meisten Kantonen eingeführt werden. Zurzeit kann die Bevölkerung bereits in den Kantonen Neuenburg, Basel-Stadt, Genf, St. Gallen und Freiburg versuchsweise elektronisch abstimmen. In weiteren Kantonen ist dies vorerst nur Auslandschweizern vorbehalten.