Alfred Heer (57) pflegt eine deutliche Sprache. Und wenn der SVP-Nationalrat diese Tage über den Europarat herzieht, fallen die Ausdrücke noch etwas kräftiger aus.
Kurz: Heer, der die Schweiz seit acht Jahren in Strassburg vertritt, hat von den meisten seiner Kollegen aus 47 Ländern die Nase voll. «Die Parlamentarische Versammlung können wir streichen, sie ist überflüssig. Da kommt nichts raus ausser warme Luft», schimpft er. Korruption und Machtpolitik der grossen Länder hätten die Institution ausgehöhlt.
Ein hartes Verdikt für eine Organisation, die sich die Verteidigung der Menschenrechte in den Mitgliedstaaten auf die Fahne geschrieben hat.
Frust mit den Franzosen
Heers Frust beginnt bei seinen vermeintlichen Verbündeten. In Strassburg politisiert die rechte SVP in der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE). Seit aber die französischen Vertreter der Partei La République en Marche von Staatspräsident Emmanuel Macron (41) bei ALDE den Ton angeben, hat der Zürcher Mühe mit deren Kurs. Ein Beispiel: Ende Juni erteilte der Europarat Russland das Stimmrecht wieder, das er Moskau nach der Anne xion der Krim entzogen hatte. Der Vorstand von ALDE war dagegen, die Franzosen dafür. Letztere setzten sich durch. «Eine Farce», sagt Heer. «Die Russen lachen sich ins Fäustchen, wir aber haben unsere Glaubwürdigkeit verspielt.»
Ohnehin sei der Einfluss der grossen Staaten zu stark. So erstellt der Europarat regelmässig Berichte über die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze in den Mitgliedstaaten. Einmal sollte Frankreich unter die Lupe genommen werden. «Aber die Franzosen machten derart Druck, dass diese Überprüfung abgeblasen wurde. Unvorstellbar», so Heer.
Nun wendet er sich von seiner Fraktion ab, die er intern einen «korrupten Haufen» nannte.
Neue Fraktion der Blockfreien geplant
Der SVPler arbeitet derzeit daran, eine neue Heimat für sich und Gleichgesinnte in Strassburg zu zimmern. «Es laufen Bestrebungen verschiedener Personen, einen neue Fraktion der Blockfreien zu gründen», sagt er. Und setzt auf «vernünftige Vertreter», welche demokratische und rechtsstaatliche Grundsätze auch im Europarat hochhalten.
Komme dieser Zusammenschluss nicht zustande, müsse er sich die Frage stellen, wie es mit ihm in Strassburg weitergehen soll. «Ich habe in der Vergangenheit massgeblich zur Klärung der grossen Korruptionsfälle im Europarat beigetragen und dachte, dass die Institution so eine neue Chance bekommt.» Der Parlamentspräsident musste vor zwei Jahren gar zurücktreten. Ein Neustart schien möglich. Nun fürchtet Heer, dass die Aufbruchstimmung verpufft. Möglich, dass er Strassburg bald den Rücken kehrt: «Beginnt dieses Spiel wieder von vorne, dann ohne mich.»