SVP hasst Akademiker, aber portiert Studierte
Ist diese Partei schizophren?

Schon immer hatte die SVP wenig übrig für die «Intellektuellen» und «Professoren». Auch in diesem Wahlkampf. In der Partei selber tummelt es aber nur so von Akademikern.
Publiziert: 20.08.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 06:39 Uhr
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SVP-Chef Toni Brunner hätte den Philosophen und Historiker lic. phil. I Roger Köppel am liebsten auf dem ersten Platz der SVP-Liste.
Foto: Igor Kravarik
Von Ruedi Studer

Es ist ein wiederkehrendes Muster: Schon SVP-Doyen Christoph Blocher machte sich gerne über die «Herren Professoren» lustig und bediente so den Anti-Akademiker-Reflex.

Jetzt im Wahlkampf macht die SVP wieder Stimmung gegen Akademiker und Gymeler – mit offensiven Vorstössen auf kantonaler und nationaler Ebene.

Dabei ist die SVP selbst eine Studierten-Volks-Partei. Fast 40 Prozent ihrer Bundesparlamentarier schmücken sich mit einem akademischen Titel.

Da gibt es Historiker, Politologen, Ökonomen und viele Juristen. Der Akademiker-Anteil liegt deutlich höher als im Schnitt der Bevölkerung, wo nur knapp jeder Siebte über einen universitären Hochschulabschluss verfügt.

Schlüsselrollen

Besonders schizophren: Aus­gerechnet im Wahlkampf besetzen SVP-Akademiker wichtige Schlüsselrollen!

In Zürich ist lic. phil. I Roger Köppel das wichtigste Aushängeschild. SVP-Chef Toni Brunner wollte den Philosophen und Historiker gar auf den ersten Platz der SVP-Liste hieven. Einen prestigeträchtigen Zürcher Ständeratssitz soll mit Prof. Dr. iur. Hans-Ueli Vogt sogar ein Professor für die SVP zurückerobern.

Wer zeichnet für den SVP-Wahlkampf verantwortlich? Na klar: Dr. sc. tech. ETH und Dipl. Ing. Agr. ETH Albert Rösti.

Und wenn Dr. iur. Blocher im Wahlkampf gerne die Geschichte bemüht, liefern ihm seine Chefhistoriker Prof. Dr. phil. Christoph Mörgeli und lic. phil. I Peter Keller die Fakten dazu.

Gar nicht SVP-konform verhält sich da auch lic. iur. Rudolf Joder. Der 65-jährige Berner SVP-Nationalrat tritt im Herbst zurück – und hat sich dafür an der Uni Zürich eingeschrieben, um den Doktortitel zu machen, wie die «Berner Zeitung» berichtet.

Das Akademiker-Ba­shing seiner Partei lehnt Joder aber ab. «Es ist klar der falsche Weg. Ein weiterer unüberlegter Schnellschuss!» Das sehe man beim Numerus clausus bei den Ärzten, da habe man nun eine Mangelsituation. «Die Freiheit der Lehre und Forschung ist eine Stärke der Schweiz. Diese darf man nicht begrenzen!»

Klare Worte findet auch lic. phil. I Oskar Freysinger. «Im Wallis ist die Maturitätsquote von 20 auf 17 Prozent gesunken. Ich muss dafür sorgen, dass diese wieder steigt», sagt der Walliser SVP-Bildungsdirektor. Eine ideale Quote liege um die 20 Prozent.

«Das ist Bockmist»

Er plädiert vehement für den ­offenen Zugang zu den Universitäten. «Der freie Zugang zur Bildung ist der wichtigste Erfolgsfaktor für die Schweiz. Der Numerus clausus ist Bockmist – egal wo!», so Freysinger.

Es brauche auch für die Geisteswissenschaften keine zusätzlichen Hürden. «Es ist absolut falsch, verschiedene Studenten-Kategorien gegeneinander auszuspielen. Ebenso falsch ist es, Studenten gegen Lehrlinge auszuspielen. Die Bereiche sind komplementär!»

Was die Akademiker-Haue der SVP betrifft, meint Freysinger: «Das ist reiner Wahlkampf. Einen Anti-Akademiker-Wahlkampf zu führen und unser gutes Bildungssystem damit in Frage zu stellen, finde ich absolut falsch. Die SVP hat viel wichtigere Themen wie Asyl, Einwanderung oder die Souveränitätsfrage.»

Kommentar – Ohne Not und ohne Logik

Die erste Universität der Schweiz wurde in Basel gegründet – 1459!

Der weltbekannte Schweizer ­Päda­goge Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) legte mit seinem «Kopf, Herz und Hand»-Prinzip den Grund­-stein für eine ganzheitliche Bildung. 1874 wurde die Schulpflicht in die Verfassung geschrieben und damit die ­unentgeltliche Bildung für alle zugänglich!

Volksbildung als Volksbefreiung, galt damals. Bildung als Wohlstandsmotor, kommt ­heute hinzu! Der freie Zugang zur Bildung – auch zu den Universitäten – hat die Schweiz als ressourcenarmes Land zu dem gemacht, was sie heute ist.

Ein Wirtschaftsparadies mit gut ausgebildeten Fachkräften, ­Erfindern und Denkern.

Mit ihrem Akademiker-Bashing rüttelt die SVP an diesem ­freiheitlichen Grundprinzip. Ohne Not: Liegt die gymnasiale ­Maturitätsquote doch bei bloss 20 Prozent. Und ohne Logik: Profitiert die SVP doch selbst von hellen Akademiker-Köpfen. (Ruedi Studer – Bundeshaus-Redaktor)

Bundeshausredaktor Ruedi Studer.
Bundeshausredaktor Ruedi Studer.
Sabine Wunderlin

Die erste Universität der Schweiz wurde in Basel gegründet – 1459!

Der weltbekannte Schweizer ­Päda­goge Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) legte mit seinem «Kopf, Herz und Hand»-Prinzip den Grund­-stein für eine ganzheitliche Bildung. 1874 wurde die Schulpflicht in die Verfassung geschrieben und damit die ­unentgeltliche Bildung für alle zugänglich!

Volksbildung als Volksbefreiung, galt damals. Bildung als Wohlstandsmotor, kommt ­heute hinzu! Der freie Zugang zur Bildung – auch zu den Universitäten – hat die Schweiz als ressourcenarmes Land zu dem gemacht, was sie heute ist.

Ein Wirtschaftsparadies mit gut ausgebildeten Fachkräften, ­Erfindern und Denkern.

Mit ihrem Akademiker-Bashing rüttelt die SVP an diesem ­freiheitlichen Grundprinzip. Ohne Not: Liegt die gymnasiale ­Maturitätsquote doch bei bloss 20 Prozent. Und ohne Logik: Profitiert die SVP doch selbst von hellen Akademiker-Köpfen. (Ruedi Studer – Bundeshaus-Redaktor)

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