1000 Fahrzeuge dürfen pro Stunde durch den Gotthard-Tunnel fahren. In der Praxis sind es aber nur 700. Schuld an den Staus sind ängstliche oder trödelnde Fahrer.
Diese Auto-Schnäggeler gehen SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner (64, AG) mächtig auf den Keks: «Ich habe ein Ferienhäuschen am Lago Maggiore und fahre alle zwei Wochen ins Tessin. Da nerve ich mich jedes Mal über die vielen Schulmeister, die nur mit Tempo 70 oder 65 fahren und nicht sauber aufschliessen.» Wenn er solche Langsamfahrer nach dem Tunnel überhole, sitze oft ein «Buchhalter-Nötzli-Typ» am Steuer.
Giezendanner regt sich «grausam» auf
Für Verzögerungen sorgten aber auch schon jene Autofahrer, die bei der Dosieranlage mit ihrem Beifahrer schwatzten und dann die Grünphase fast verpassen würden. «Da würden jedes Mal vier, fünf Autos mehr durchpassen», so der Fuhrunternehmer. Auch wenn er sich jeweils «grausam aufregt», bleibe er auf der Strasse aber anständig, betont «Giezi» – also ohne Hupen oder Aufblenden. «Die Leidtragende ist meine Frau, die neben mir sitzt.»
Verständnis für die Langsamfahrer hat der Aargauer keines: «Wer sich nicht mit Tempo 80 durch den Tunnel getraut, soll bitteschön den Zug nehmen!»
Auf den elektronischen Infotafeln sollten die Autofahrer zudem stärker zu Tempo 80 angehalten werden, so Giezendanner. Wenn sich die Situation nicht bessere, ist für ihn klar: «Wer unter Tempo 75 fährt, den sollte man büssen.»
Polizei kann Langsamfahrer kontrollieren
Auch FDP-Nationalrat und TCS-Vizepräsident Thierry Burkart (42, AG) hat kein Problem mit Tunnel-Fahrten. «Ich konzentriere mich, bleibe ruhig und halte genügend Abstand», lautet seine Devise, die er auch andern Gotthard-Fahrern mit auf den Weg gibt.
Zwar gibt es auf der Autobahn keine Mindestgeschwindigkeit, die ein Fahrer einhalten muss. Allerdings muss ein Auto mindestens Tempo 80 fahren können. Hier sieht Burkart denn auch einen Ansatzpunkt, um gegen Trödler vorzugehen: «Die Polizei kann durchaus Autofahrer anhalten, die langsam unterwegs sind, um diese auf ihre Fahrtüchtigkeit zu überprüfen.»
Wenn jemand zum Beispiel wegen fehlender Fahrpraxis oder Ablenkung viel zu langsam fahre, «dann stört dieser den Verkehrsfluss und stellt somit eine Gefahr dar». Dann liege es im Ermessen der Polizei, zu eruieren, warum diese Person so langsam fahre und allfällige Massnahmen zu ergreifen. «Das kann eine Busse sein.»
Die heutigen Regelungen seien zwar ausreichend, müssten aber von der Polizei auch durchgesetzt werden. «Heute wird das generell zu wenig gemacht.»
Hoffen auf zweite Gotthardröhre
Burkart setzt auch auf die zweite Gotthardröhre. «Wenn ich durch den Gotthard fahre, bin ich schon froh, dass sich die Schweizerinnen und Schweizer für einen zweiten Tunnel entschieden haben, sodass dort künftig kein Gegenverkehr mehr herrscht.»
Er geht davon aus, dass der Verkehrsfluss damit besser wird, weil die Verkehrsteilnehmer «ohne Gegenverkehr etwas zügiger fahren». Hinzu komme eine massive Verminderung der Unfallgefahr und damit eine deutliche Verbesserung der Verkehrssicherheit, so Burkart.
Technische Obergrenze bleibt gleich
Auch beim Bundesamt für Strassen (Astra) schliesst man nicht aus, dass sich der Verkehrsfluss dannzumal verbessert. Zwar bleibt es auch mit der zweiten Röhre bei der technischen Obergrenze von 1000 Personenwageneinheiten pro Stunde und Richtung als technische Obergrenze, da die Tunnels jeweils nur einspurig befahrbar bleiben.
Astra-Sprecher Thomas Rohrbach (46) sagt jedoch: «Ob sich durch die Richtungstrennung die tatsächliche Stundenmenge der technischen Obergrenze von 1000 stärker nähert als heute im Gegenverkehrsregime, lässt sich nicht berechnen, aber dies könnte durchaus sein.»
Empörung beim Fahrlehrerverband
Alles andere als glücklich über Giezendanners Aussagen ist der Fahrlehrerverband. «Wir haben, sehr vorsichtig ausgedrückt, Mühe damit», schreibt Verbands-Geschäftsführer Daniel Menzi. Er verweist auf das Gesetz und betont, dass die Stauforschung den Hauptgrund im Abstand der Fahrzeuge sieht: Bei zu kleinem Abstand gebe es eine «Stauwelle» die dann nach hinten «wandere».
«Würde der Abstand unter den Fahrzeugen stimmen, dann würden die folgenden Fahrzeuge halt nur so schnell fahren wie das vermeintlich zu langsam fahrende Fahrzeug (z. B. 60 km/h bei erlaubten 80 km/h), aber sie würden fahren und nicht stehen», so Menzi weiter.