Schon vor einem Monat machte es bei SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (41) Klick. Nach einem Gespräch mit einem Infektiologen war er überzeugt: Das Virus ist hochgefährlich. Und es wird auch die Schweiz mit voller Wucht treffen, wenn der Bund nicht rechtzeitig handelt. «Ich habe mir die Zahlen aus China angeschaut, die Zunahme war nicht linear, sondern exponentiell», so Aeschi zu BLICK.
Noch bevor Gesundheitsminister Alain Berset (47) zur seiner ersten Corona-Medienkonferenz lud, twitterte Aeschi warnend über den sprunghaften Anstieg der Opferzahlen. «Und was macht Alain Berset? Er beobachtet....», wetterte Aeschi und forderte die Einführung von systematischen Grenzkontrollen.
Aeschi wurde belächelt
Damals wurde Aeschi belächelt. Oder als Panikmacher bezeichnet. Ebenso wie später SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher (50), als diese mit einer Schutzmaske zu Frühlingssession antrat. Als Aeschi vor einer Woche per Ordnungsantrag den Sessionsabbruch forderte, schüttelten auch viele Parteikollegen den Kopf. Mit 155 zu 13 Stimmen blitzte Aeschi ab, selbst die eigene Fraktion liess ihn brutal hängen.
Und jetzt: Sessionsabbruch. Notlage. Ausnahmezustand. Aeschi, der einsame Rufer im Parlament, bekommt Recht. Es wäre nur verständlich, wenn er nun eine gewisse Genugtuung verspüren würde. Zu BLICK meint er aber: «Nein, das tue ich nicht. Irren ist menschlich.» Viele hätten die Situation schlichtweg unterschätzt. Er habe selber nicht erwartet, dass sich die Situation innert weniger Tage nochmals derart verschlimmern würde.
Verpolitisierte Corona-Krise
Allerdings muss sich Aeschi auch die Frage gefallen lassen, ob er nicht eher gehört worden wäre, hätte er die Corona-Problematik nicht von Beginn weg verpolitisiert. Er verknüpfte das Thema mit der Begrenzungs-Initiative der SVP. Und seinen Abbruch-Antrag mit den bei der SVP nicht genehmen Vorlagen wie Überbrückungsrente oder CO2-Gesetz. Das wurde ihm übel genommen.
Doch der Zuger Nationalrat sieht keinen Fehler bei seinem Vorgehen. «Die SVP fordert schon seit Jahren die Wiedereinführung von Grenzkontrollen. Das sind billige Ausreden und blinde Abwehrreflexe gegen die SVP», so Aeschi. Für ihn ist klar: «Hätte die Schweiz früher reagiert und die Grenzen geschlossen, wären wir jetzt nicht das Land mit den zweitmeisten Neuinfektionen pro Kopf weltweit.» Auch jetzt kritisiert er den Bundesrat noch immer. «Ausgerechnet aus dem am schlimmsten betroffenen Italien kommen jeden Tag Zehntausende Grenzgänger in die Schweiz. Das ist unverständlich.»
«Staat muss Unterstützung leisten»
Der vom Bundesrat ausgerufene Notstand lässt Aeschi derweil nicht kalt. «Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass nicht eine massive Konkurswelle auf das Land zukommt und die Arbeitslosigkeit nach oben schnellt. Die drastischen Massnahmen vom Montag müssen möglichst bald wieder aufgehoben werden. Und der Staat muss Unterstützung leisten.»
Da ist Aeschi auch bereit, über seinen wirtschaftsliberalen Schatten zu springen. «Es braucht nun einen ökonomischen Plan, wie die Wirtschaft rasch wieder auf die Beine kommt, sobald die gesundheitliche Krise ausgestanden ist.»