Das hätte sich der einstige Parteipräsident wohl nicht träumen lassen: Plötzlich wird Ueli Maurer (67) aus den eigenen Reihen als «halber SVP-Bundesrat» beschimpft. Und das nur, weil der Finanzminister linientreu blieb, während seine Partei umgeschwenkt ist und den Steuer-AHV-Deal plötzlich als «Kuhhandel» verteufelt.
Die «Zentralschweiz am Sonntag» erinnert daran, wie sich Maurer vor bald sechs Jahren im Berner Hotel Bellevue mit frenetischem Applaus von der SVP-Prominenz feiern liess, als er gerade zum Bundespräsidenten gewählt wurde.
Doch SVP-Übervater Christoph Blocher (77) trug demonstrativ schlechte Laune zur Schau. Denn anders als Maurer hatte es Blocher nie geschafft, Bundespräsident zu werden. Er wurde noch vorher abgewählt.
Ist Ende 2019 Schluss?
Kurz vor Maurers zweitem Präsidialjahr mehren sich nun die Anzeichen, dass der Zürcher nach Johann Schneider-Ammann (66) und Doris Leuthard (55) – wohl zum Abschluss seines Präsidialjahres 2019 – ebenfalls den Bettel hinschmeisst, schreibt die Zeitung. Und dies, obwohl Maurer immer wieder betont, für eine weitere Legislatur antreten zu wollen. Auch Schneider-Ammann hatte ja zuvor verlauten lassen, bis Ende 2019 bleiben zu wollen.
So sind es oft nicht die grossen Beteuerungen eines Bundesrats, sondern manchmal die kleinen Nuancen in dessen Aussagen, die die wahren Absichten eines Magistraten verraten. Letzten Freitag habe Maurer verlauten lassen, er bleibe – im Einverständnis mit seiner Partei. Ohne Rückhalt in der SVP also nicht mehr?
Der Finanzminister stellt seinen Leuten die Vertrauensfrage, weil er sich bei der Steuervorlage 17 (SV 17) von der SVP nicht mehr getragen fühlt. Denn damit die aktuelle Steuerreform nicht wie ihre Vorgängerreform an der Urne bachab geschickt wird, ist die SV 17 mit einem Milliarden-Zustupf an die AHV verknüpft worden. Obwohl Maurer am Anfang von diesem Zustupf nicht überzeugt war, macht er sich seither dafür stark.
Martullo-Blocher war erst für den Deal
Maurer hatte ja auch die Unterstützung der SVP: Sie könne mit einem solchen Paket leben, denn «es hätten alle etwas davon», sagte SVP-Vizepräsidentin Magdalena Martullo-Blocher (49) im Juni dem «Sonntags-Blick». Unter den Schwergewichten in der SVP war einzig Fraktionschef Thomas Aeschi (39) gegen den Deal.
Doch plötzlich vollzog Martullo-Blocher, die Tochter des Parteivordenkers Christoph Blocher, die entscheidende Wende und ging von nun an auf Distanz zum Deal. Der Positionswechsel soll von Blocher selbst verfügt worden sein. In seiner Internet-Sendung «Teleblocher» bezeichnete er den Deal nämlich plötzlich als «aufgelegten Schwindel». Beobachter sind sich sicher, dass auch Blocher die SV 17 will und er den Deal als notwendiges Übel betrachtet. Doch er gehe wohl davon aus, dass das Volk sowieso zustimme. So kann er den «Kuhhandel» als Mittel zur Mobilisierung im Wahlkampf einsetzen. Wieder heisst es dann: die SVP gegen alle anderen.
Angst vor SV-17-Niederlage
Laut der «Zentralschweiz am Sonntag» soll es ausgerechnet Blocher gewesen sein, der Maurer gut zuredete, als dieser den Bettel habe hinschmeissen wollen. Umso grösser soll nun sein Frust darüber sein, dass ihm die eigene Partei offen in den Rücken fällt. Maurer befürchte, dass er nach der Gripen-Kampfjet-Vorlage und der Unternehmenssteuerreform III jetzt mit der SV 17 wegen der SVP die dritte Niederlage einfährt.
Dass ihn nun die «Weltwoche» in ihrer Titelgeschichte «Ueli Maurers Waterloo» jetzt noch als «halben SVP-Bundesrat» bezeichnet, soll Bundesrat Maurer vollends wütend gemacht haben. Mit dieser Bezeichnung machte Blocher einst klar, dass die Partei mit ihrem früheren Bundesrat Samuel Schmid (71) gebrochen hatte.
Martullo könnte für den Vater Präsidentin werden
Auch wenn der bald 68-Jährige noch regelmässig von seinem Wohnort im Berner Oberland ins Bundeshaus radelt, ist es fraglich, ob er noch genug Kraft hat, notfalls auch ohne Hausmacht zu regieren. So heisst es nun, Maurer mache höchstens noch die Legislatur fertig. Schliesslich gebe es ja ein politisches Schwergewicht im Parlament, das Maurer beerben wolle: Magdalena Martullo-Blocher.
Sie könnte als späte Genugtuung für ihren Vater nicht nur in den Bundesrat einziehen, sondern dereinst auch Bundespräsidentin werden. (pt)