Er der Böse. Der andere der Gute. Oder sind die Rollen doch nicht so klar? An der Weltpremiere von «Willkommen in der Schweiz» am Filmfestival Locarno TI verschwimmen die Feindbilder. «Wir haben eine gute Arbeitsbeziehung und mögen uns deshalb», sagt Michael Räber zu BLICK, als er an der Seite von SVP-Asylchef Andreas Glarner den grössten Kinosaal des 70. Filmfestivals Locarno verlässt. Räber ist so etwas wie der berühmteste Flüchtlingshelfer des Landes, steht mit seinem Hilfswerk Schwizerchrüz gestrandeten Menschen in Griechenland zur Seite. Andreas Glarner, mit seinem Dorf Oberwil-Lieli AG der Flüchtlingsschreck des Landes, besuchte ihn im griechischen Sindos, sah das Elend und entschied: «Wir müssen mehr helfen» (BLICK berichtete).
Gestern nun eröffnete der Dokumentarfilm von Sabine Gisiger «Willkommen in der Schweiz» das Filmfestival. Er handelt von der Krux der Schweiz mit Flüchtenden. Und zeigt: So verhärtet die ideologischen Fronten scheinen, für und in der Sache finden sich ungewöhnliche Freundschaften. «Viele Menschen haben uns moralisch unterstützt», sagt Michael Räber. «Aber echte Hilfe kam aus Oberwil-Lieli und von Andreas Glarner. Dank dem Dorf haben wir unter anderem 3000 Leute durch den Winter gebracht.» Bisher 406'000 Franken spendeten die Einwohner des Aargauer Dorfs an Räbers Organisation.
Nein, Oberwil-Lieli sei nicht die Schweiz – und Glarner nicht Oberwil-Lieli, sagt Johanna Gündel im Film. Die Studentin ist das Gesicht des netten Oberwil-Lieli, organisiert mit ihrer Interessengemeinschaft den Widerstand gegen die Flüchtlingspolitik von SVP-Glarner. Diese Fronten sind verhärtet, selbst beim Apéro nach der Premiere halten Glarner und die Familie Gündel höflichen Abstand.
Susanne Hochuli, Aargauer Ex-Regierungsrätin und selbst Protagonistin, urteilt: «Der Film zeigt, dass niemand einfach nur gut oder böse ist. Er stellt niemanden blöd hin. Das ist grosses Kino.»