Suspendierung ist «kein gangbarer Weg»
Bundesrat hält an Schengen fest

Lega-Nationalrat Lorenzo Qaudri möchte wegen des Flüchtlingsstroms das Schengen-Abkommen aussetzen und Grenzkontrollen einführen. Das würde nicht helfen, den Migrationsdruck zu verringern, sagt der Bundesrat.
Publiziert: 31.08.2015 um 10:20 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 10:05 Uhr
Von Ruedi Studer

Angesichts der Flüchtlinge, die nach Europa streben, reiten rechte Politiker erneut Attacken gegen das Schengen-System. Mit diesem wurden die Passkontrollen an den Grenzen abgeschafft.

Ein Umstand, den Lega-Nationalrat Lorenzo Quadri (TI) wegen des «gegenwärtigen Notstands im Flüchtlingswesen» am liebsten rückgängig machen würde.

So fordert er in einem Vorstoss vom Bundesrat die Suspendierung des Schengen-Abkommens. Die EU komme ihren Verpflichtungen nicht nach, begründet Quadri. Er verweist dabei auf Italien, welche das mit Schengen verknüpfte Dublin-Abkommen nicht zu genüge umsetze.

Zudem würden verschiedene EU-Staaten Massnahmen treffen oder zumindest prüfen, die gegen das Schengen-Abkommen verstossen würden.

«Kein gangbarer Weg»

Nur: Der Bundesrat mag von einer Aussetzung des Abkommens nichts wissen. «Die Suspendierung des Schengen-Assoziierungsabkommens durch die Schweiz wäre weder ein gangbarer Weg noch würde diese einen Beitrag zur Verringerung des Migrationsdrucks leisten», lässt die Regierung Quadri wissen.

Belehrend schiebt der Bundesrat nach: «Die Vorstellung, dass bei einer Suspendierung des Schengen-Assoziierungsabkommens wieder lückenlose Personenkontrollen an den Grenzen stattfänden, ist nicht realistisch.»

Eine solch «hermetische» Überwachung der Landesgrenze habe es auch vor dem Beitritt der Schweiz zur Schengener Zusammenarbeit nicht gegeben. «Von den durchschnittlich 700'000 Grenzübertritten pro Tag wurden nur rund 3 Prozent vertieft kontrolliert», nennt der Bundesrat Zahlen. Für den Bundesrat kommt nur «eine gesamteuropäische Vorgehensweise» in Frage.

Anteilmässig tiefster Stand seit Jahren

Angesichts der aktuellen Dimension der Flüchtlingskatastrophe – weltweit sind derzeit so viele Menschen auf der Flucht wie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr – relativiert der Bundesrat die schweizerische Betroffenheit.

Zwar würden die Asylgesuchszahlen auch in der Schweiz ansteigen, aber weniger stark als im europäischen Schnitt. Und er macht klar: «Der schweizerische Anteil an den Asylgesuchen in Europa befindet sich auf dem tiefsten Stand der letzten 15 Jahre.»

Bundesrat für «faire Verteilung»

Die Schweiz poche aber bei den Mitgliedstaaten immer wieder auf eine Einhaltung der Schengen-/Dublin-Abkommen, hält der Bundesrat fest. Insbesondere, was die Registrierung der ankommenden Migranten in Europa betreffe.

Gleichzeitig zeigt er sich aber offen für eine Anpassung des Dublin-Abkommens, die eine «faire Verteilung der Asylsuchenden» zum Ziel hat.

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