Roman Abramowitsch (51) hat sich mehrfach darum bemüht, was viele seiner Oligarchen-Freunde bereits besitzen: eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz. Aus keinem anderen Land als Russland haben so viele Reiche eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, um «wichtige öffentliche Interessen zu wahren», wie es der Schweizer Gesetzgeber formuliert. Darunter werden unter anderem «erhebliche kantonale fiskalische Interessen» verstanden. Sprich: Wenn jemand sehr reich ist und entsprechend Steuern zahlt, erhält er die Aufenthaltsgenehmigung.
Seit 2008 haben 186 Russen eine solche Aufenthaltsgenehmigung in der Schweiz erhalten. Dahinter folgen die Türken mit 37, die Kanadier mit 24 und die US-Amerikaner mit 23 Aufenthaltsgenehmigungen mit besagter Begründung.
Die meisten der Russen dürften wegen ihres Reichtums die Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz erhalten haben und hier als Pauschalbesteuerte leben. Denn neben «erheblichen kantonalen fiskalischen Interessen» ist ein solcher Aufenthalt nur wegen bedeutender kultureller Anliegen, aus staatspolitischen Gründen und im Rahmen von Strafverfahren möglich.
Dass so viele Russen in die Schweiz kommen wollen, dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Steuergesetze für Ausländer in Grossbritannien angepasst wurden. Viele Oligarchen, wie auch Abramowitsch, leben seit langem in London als sogenannte «Residents Non-Domiciled». Dank diesem Status müssen sie praktisch keine Steuern bezahlen.
Nun hat das Königreich eine neue Regel eingeführt, dass ein solcher steuerfreier Aufenthalt maximal 15 bis 20 Jahre dauern dürfe. Bereits nach 16 Jahren kann es sein, dass der Status verloren geht und die Steuern massiv steigen. Also müssen sich Russen wie Abramowitsch nach einem neuen Steuerdomizil umschauen.
Viele scheinen dabei von der Themse in die Schweiz und besonders an den Genfersee zu schauen. Das zumindest legt die Statistik nahe. Seit dem Jahr 2008 hat Genf von allen Kantonen mit Abstand am meisten Aufenthaltsgenehmigungen zur «Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen» vergeben: 107 – deutlich mehr als im zweitplatzierten Kanton Tessin, wo 76 solche Bewilligungen erteilt wurden.*
Nicht nur russische Oligarchen, sondern auch Vermögende anderer Nationalitäten schätzen die Schweiz als Steuerdomizil. «Die Schweizer Steuerbehörden sind im Vergleich zu anderen Ländern sehr dienstleistungsbereit und sehen im Steuerzahler einen Kunden», sagt Robert Desax, Steuerexperte bei der Anwaltskanzlei Walder Wyss. Das gelte insbesondere für die Kantone Zug, Waadt, Wallis, Aargau, Freiburg und Graubünden.
So günstig wie auch schon sei die Pauschalsteuer in der Schweiz aber nicht mehr. «Wenn ein reicher Ausländer in einen Schweizer Kanton zieht, steigt die Finanzkraft dieses Kantons, was zur Folge hat, dass er mehr in den interkantonalen Finanzausgleich einzahlen muss», sagt Desax. Der Steuerertrag müsse also eine gewisse Höhe erreichen, damit sich die Pauschalbesteuerung für einen Kanton überhaupt lohne.
* Eine frühere Version führte Tessin als erstplatzierten Kanton auf, mit 240 Bewilligungen. Bei den Zahlen für das Tessin hat sich beim Staatssekretariat für Migration SEM aber ein Fehler eingeschlichen. Zwischen 2008 und 2016 hat das Tessin insgesamt 76 solcher Bewilligungen erteilt. Die gesicherten Zahlen für 2017 liegen noch nicht vor.
Der russische Präsident ist am Ziel. Kaum Gegenwind aus dem Ausland. Die Opposition zerschlagen. Kritische Journalisten fürchten um ihr Leben. Selbst milliardenschwere Oligarchen wagen keine Kritik am «System Putin». Brot, Spiele und Ruhm fürs Vaterland – mit diesem Dreiklang konnte Putin seine Anhänger bisher ködern. Aber was, wenn sich Betrug als Motor aller Erfolge herausstellt? Nichts muss Wladimir Putin so fürchten wie die menschliche Neugier, das gesammelte Wissen der Internet-Suchmaschinen und das Klicken der Computermaus.
Der russische Präsident ist am Ziel. Kaum Gegenwind aus dem Ausland. Die Opposition zerschlagen. Kritische Journalisten fürchten um ihr Leben. Selbst milliardenschwere Oligarchen wagen keine Kritik am «System Putin». Brot, Spiele und Ruhm fürs Vaterland – mit diesem Dreiklang konnte Putin seine Anhänger bisher ködern. Aber was, wenn sich Betrug als Motor aller Erfolge herausstellt? Nichts muss Wladimir Putin so fürchten wie die menschliche Neugier, das gesammelte Wissen der Internet-Suchmaschinen und das Klicken der Computermaus.