Subventionen ohne Ende
So mästet der Staat die Bauern

Die Landwirtschaft profitiert von zahlreichen Vorteilen. BLICK zeigt acht Beispiele, wo der Subventionsdschungel gelichtet werden könnte.
Publiziert: 06.09.2018 um 02:09 Uhr
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Aktualisiert: 15.10.2018 um 19:35 Uhr
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Die Landwirtschaft braucht keinen Kurswechsel, findet Bundesrat Johann Schneider-Ammann. Die Ernährungssouveränitäts-Initiative ist seiner Meinung nach sogar gefährlich. (Archivbild)
Foto: KEYSTONE/JEAN-CHRISTOPHE BOTT
Sermîn Faki und Ruedi Studer

Die Bauern stehen im Auge des politischen Orkans. In gut zwei Wochen entscheiden wir an der Urne über zwei Agrar-Initiativen, weitere Vorstösse zu Themen wie Hornkuh, Pestiziden und Massentierhaltung stehen an. Gleichzeitig gleist Landwirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (66, FDP) im Oktober seine neue Agrarreform auf. Der Ex-Unternehmer und Tierarztsohn wird versuchen, die Landwirte mehr auf Wettbewerb zu trimmen und die staatliche Unterstützung zurückzufahren.

Foto: Blick Grafik

Denn keiner anderen Branche greift der Bund derart stark unter die Arme. Gut 3,6 Milliarden Franken machte das Landwirtschaftsbudget 2017 aus. Allein die Direktzahlungen spülen jährlich 2,8 Milliarden Franken in die bäuerlichen Kassen. Zudem gibt es allerlei weitere Zuschüsse, Beihilfen oder Vergünstigungen im Agrarbereich. Von den Privilegien profitieren nicht nur die rund 52'000 Landwirtschaftsbetriebe, sondern auch unzählige Agrarfunktionäre, Zulieferer, Verarbeiter und der Handel.

Die neue Agrarpolitik bietet Gelegenheit, den landwirtschaftlichen Subventionsdschungel zu lichten. BLICK zeigt acht Beispiele, wo Landwirtschaftsminister Schneider-Ammann zur Machete greifen kann:

  • Absatzförderung: «Schweizer Fleisch – alles andere ist Beilage!» Der Spot ist Kult! Jahrelang warb die Branchenorganisation Proviande damit für einheimisches Fleisch – auch mit Steuergeldern. Der Bund zahlt nämlich bis zu 50 Prozent an die Werbung, mit welcher den Konsumenten Schweizer Agrarprodukte schmackhaft gemacht werden. 2016 kostete das rund 62 Millionen Franken. Absatzförderung in Ehren – doch in einigen Bereichen geht sie sehr weit: Dass auch Pilze (245'000 Franken), Zierpflanzen (420'000 Franken) oder Ölsaaten (480'000 Franken) auf Bundeskosten beworben werden, geht auf keine Kuhhaut.
     
  • Viehschauen: Der Bund subventioniert aber nicht nur die Absatzförderung der bäuerlichen Produkte. Sondern auch diejenige von lebenden Tieren. Unter anderem unterstützt er Viehschauen. 300'000 Franken liess er sich das Vorführen der schönsten Rinder 2016 kosten. Über 450'000 Franken gingen für die Absatzförderung von noch nicht einmal lebenden Tieren drauf, wie das Bundesamt für Landwirtschaft bestätigt. Damit wurde beispielsweise die Teilnahme an Messen subventioniert, an denen Schweizer Muni-Sperma beworben wurde. Da bekommt das Wort Qualitätsoffensive eine ganz neue Bedeutung ...
     
  • Exportförderung: Sie fallen unter die Absatzförderung, zielen aber auf die Konsumenten im Ausland: die Export-Initiativen! Auch hier berappt der Steuerzahler bis zu 50 Prozent der Werbung und an «Marktabklärungsmassnahmen». 2016 ingesamt 3,5 Millionen Franken. Alleine für die Käse-Werbung setzte der Bund 2,5 Millionen ein. Aber auch Fleisch, Bio-Produkte und selbst Muni-Sperma (100'000 Franken) werden beworben. Paradox: Obwohl sich die Bauern gegen den Freihandel wehren, machen sie für Exportwerbung die hohle Hand.
     
  • Absatzförderung der besonderen Art: Schweizer Landwirte werden geradezu angehalten, zu viel zu produzieren – der Staat findet dann schon einen Absatzmarkt. Seit 1959 kauft zum Beispiel die Schweizer Entwicklungshilfe überschüssiges Milchpulver ein, um es in Afrika, Asien und Südamerika zu verteilen. Jedes Jahr für 20 Millionen Franken. Seit 2015 ist auch die Armee ein Abnehmer: Der Schweizer Soldat hat Schweizer Kartoffeln, Käse und Fleisch zu essen. Das Verteidigungsdepartement lässt sich das 1,6 Millionen Franken pro Jahr zusätzlich kosten.
     
  • Gefrorenes Kalbfleisch: Es ist ein wiederkehrendes Phänomen. Im Frühling und Sommer ist Kalbfleisch weniger gefragt, die Überschüsse werden deshalb eingelagert, um einen Preiszerfall zu verhindern. 586 Tonnen landeten so 2017 vorübergehend im Tiefkühler. Das kostet. Und der Bund zahlt an die Lagerkosten und den Wertverlust infolge des Einfrierens rund einen Fünfliber pro Kilo. Total 2,9 Millionen Franken. Davon aber profitieren nicht die Bauern, sondern die Verarbeiter. Da fragt sich, wer hier mit wem das Kalb macht!
     
  • Eier-Tütschete (1,5 Mio. Franken): Der Osterhase macht den Eierproduzenten einen Strich durch die Rechnung. Nach Ostern sinkt die Nachfrage nach Eiern nämlich markant. Um die Preise zu stützen und damit die Bauern die Eier doch noch loswerden, hat sich der Bund etwas Besonderes einfallen lassen: Aufschlagsaktionen! Die Idee dahinter: Hiesige Nahrungsmittelhersteller sollen statt billiger Importeier einheimische Konsumeier für ihre Produkte verwerten. Pro Ei gibts dafür 9 Rappen. 2017 wurden so für gut 19 Millionen Eier 1,5 Millionen Franken berappt.
     
  • Familienzulagen: Mindestens 200 Franken im Monat bekommt eine Familie vom Staat für ein Kind. Finanziert wird die Familienzulage von den Arbeitgebern, die in die Familienausgleichskasse einzahlen müssen. Wer selbständig erwerbend ist – zum Beispiel als Steuerberater oder Physiotherapeut – muss selbst einzahlen. Ausser natürlich, er ist Landwirt. Die Familienzulagen für die Bauernkinder zahlt der Steuerzahler. Bund und Kantone kostete das 2016 mehr als 90 Millionen Franken.
     
  • Banknötli-Aktion: Die Schweizer Bauern profitieren sogar davon, dass Banknoten irgendwann für ungültig erklärt werden. Die Nationalbank muss daher immer genug Geld vorrätig haben, um alte Banknoten umzutauschen. Geld aus diesem Topf, das sie nicht braucht – weil die alten Noten nicht gegen neue eingetauscht werden –, kommt dem Fonds für nicht versicherbare Elementarschäden zugute. Dieser zahlt vor allem an Bauern Beiträge aus. Für 2020 wird mit einer Ausschüttung von einer Milliarde Franken gerechnet. Doch dieses Privileg könnten die Bauern verlieren: Der Bundesrat will die Umtauschfrist nämlich abschaffen.
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