Ende 2019 schreibt die BKW Geschichte. Am 20. Dezember schaltet sie in Mühleberg BE das erste Atomkraftwerk ab.
Das wird teuer: 25 Milliarden Franken kosten Stilllegung und Entsorgung aller Schweizer Kernkraftwerke – etwa so viel wie die Neat, die Neue Eisenbahn-Alpentransversale mit ihren drei Basistunneln. Die Summe wird in zwei Fonds von allen AKW-Betreibern geäufnet.
Doch die vom Bundesrat geforderte Finanzierung – ein Fonds für Stilllegung, einer für Entsorgung – sorgt bei den AKW-Betreibern für Unmut. Denn im Rahmen der Revision der Stilllegungs- und Entsorgungsfondsverordnung soll die Realrendite von 2,0 auf 1,6 Prozent gesenkt werden.
«Das Geld fehlt an anderen Orten»
Das bedeutet konkret: Die Stromproduzenten müssen zusätzlich Geld einschiessen. Allein auf die Mühleberg-Betreiberin BKW kommen zusätzlich 100 Millionen Franken Belastung zu. Dagegen spricht sich nun die BKW-Geschäftsführerin Suzanne Thoma (57) aus: «Diese Senkung macht keinen Sinn. Sie ist willkürlich.» Die Betreiber zahlen seit Jahren in den Stilllegungs- und Entsorgungsfonds ein – Anlagen, die einen Zinsertrag von 3,6 beim Entsorgungsfonds und 4,3 Prozent beim Stilllegungsfonds erzielt haben. Für Thoma gibt es darum «keinen stichhaltigen Grund, die Realrendite zu senken».
Die studierte Chemieingenieurin warnt: «Werden wir gezwungen, 100 Millionen zusätzlich in die Fonds zu zahlen, fehlt dieses Geld der BKW bei anderen Projekten für die Energieinfrastruktur oder die Versorgungssicherheit. Wir können den Franken nicht zweimal ausgeben.»
Die Ausgabe hätte direkte Konsequenzen. Thoma: «Zum Beispiel wird uns das Geld für Modernisierungsprojekte bei der Wasserkraft oder für andere Investitionen in erneuerbare Energien fehlen.»
Keine Rückerstattung bei tieferen Kosten
Wenn die Kosten für Stilllegung und Entsorgung tiefer ausfallen sollten als die veranschlagten 25 Milliarden, bliebe das Geld trotzdem bis 2130 in den Fonds gebunden. Suzanne Thoma: «Es ist zum Beispiel sehr wahrscheinlich, dass es für die Abfälle statt zwei separate Lager ein Kombilager gibt.» In diesem Fall wären die Kosten 1,63 Milliarden tiefer. «Solche Möglichkeiten schliesst der Bund aber a priori aus.»
Auf die Frage, ob Bern damit die Richtigkeit der Energiestrategie 2050 und der Entscheidung für einen Atomausstieg untermauern wolle, antwortet Thoma: «Es gibt einflussreiche Kreise, die den Ausstieg künstlich verteuern wollen.»
Gletscher-Initiative: Es braucht ein Wunder
Ein ideologischer Kampf zeichnet sich auch bei der sogenannten Gletscher-Initiative ab. Umweltorganisationen planen eine Volksinitiative für eine deutliche Reduzierung des CO2-Ausstosses.
Konkret verlangt sie, dass ab 2050 keine fossilen Brenn- oder Treibstoffe mehr verwendet werden. Auch bei einzelnen FDP-Exponenten stösst das Begehren inzwischen auf Zustimmung. Mit den Ständeräten Ruedi Noser (57, ZH) und Damian Müller (34, LU) unterstützen bereits zwei parlamentarische Schwergewichte die Initiative.
«Es braucht eine Abkehr von unserem Lebensstil»
Für die BKW-Chefin ist es aber ein schwer umsetzbares Unterfangen: «Ohne ein technologisches Wunder bedeutet eine CO2-freie Gesellschaft bis 2050 letztlich eine radikale Abkehr von unserem heutigen Lebensstil.»
Auch eine Solaranlage oder die Elektromobilität bedeuteten CO2-Emissionen und den Verschleiss von Ressourcen.
Gegen den Einwand, die BKW sei vielleicht gar nicht dafür, dass gespart werde, das Unternehmen wolle schliesslich Strom verkaufen, wehrt sich Thoma: «Nein, Energieeffizienz ist einer der wichtigsten Beiträge zur Lösung des Problems. Gebäude sind in der Schweiz für rund ein Viertel der CO2-Emissionen sowie rund die Hälfte des Energieverbrauchs verantwortlich. Da können wir den Kunden mit unserer Gebäudetechnikkompetenz konkrete Lösungen bieten.»
«Ich esse vegetarisch und wenn möglich Bioprodukte»
Was aber tut die Wirtschaftsführerin, die zweifache Mutter ist, selber und ganz persönlich für die Umwelt? Thoma: «Mir macht es Freude, nachhaltig zu leben. Dazu gehört eine vegetarische Ernährung, ausserdem achte ich darauf, Bioprodukte zu verwenden, mache Ferien in der Schweiz und im europäischen Ausland.»
Als CEO eines internationalen Unternehmens sei sie manchmal mit dem Flugzeug unterwegs. Auf dem Weg ins Büro setze sie jedoch grundsätzlich auf den öffentlichen Nahverkehr.
BKW-Chefin Suzanne Thoma wünscht sich tragfähige Beziehungen zur EU: «Gibt es kein Rahmenabkommen, bedeutet dies letztlich das Ende des bilateralen Wegs.» Die Schweiz würde den heute praktisch ungehinderten Zugang zum wichtigsten Markt verlieren. Die Strombranche wäre direkt betroffen: Schweizer Strom könnte nicht ungehindert nach Europa verkauft und bei Mangel könnte nicht mit Sicherheit auf Importe gezählt werden. Darum ist Thoma für ein Stromabkommen – und die vollständige Strommarktöffnung. «Künftig sollen auch Kleinkunden ihren Strom wählen können.»
BKW-Chefin Suzanne Thoma wünscht sich tragfähige Beziehungen zur EU: «Gibt es kein Rahmenabkommen, bedeutet dies letztlich das Ende des bilateralen Wegs.» Die Schweiz würde den heute praktisch ungehinderten Zugang zum wichtigsten Markt verlieren. Die Strombranche wäre direkt betroffen: Schweizer Strom könnte nicht ungehindert nach Europa verkauft und bei Mangel könnte nicht mit Sicherheit auf Importe gezählt werden. Darum ist Thoma für ein Stromabkommen – und die vollständige Strommarktöffnung. «Künftig sollen auch Kleinkunden ihren Strom wählen können.»