Stipendien
Volk lehnt einheitliche Regeln für Stipendien ab

Stipendien bleiben Sache der Kantone. Die Stimmberechtigten haben die Stipendieninitiative, die schweizweit einheitliche Regeln verlangte, am Sonntag mit 72,5 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Kein einziger Kanton stimmte zu.
Publiziert: 14.06.2015 um 16:54 Uhr
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Aktualisiert: 11.10.2018 um 19:11 Uhr

Rund 1'611'600 Personen lehnten die Stipendieninitiative ab, rund 610'400 legten ein Ja ein. Von den 23 Standesstimmen entfiel keine einzige auf das Volksbegehren des Verbands der Schweizer Studierendenschaften (VSS). Die Stimmbeteiligung betrug 43,5 Prozent.

Die Initiative schnitt damit schlechter ab als in der letzten Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern im Auftrag der SRG vorausgesagt - Ende Mai hätten noch 38 Prozent Ja gesagt. Tendenziell fand das Anliegen in der Westschweiz mehr Unterstützung als in der Ost- und der Zentralschweiz.

Am deutlichsten Nein sagte der Kanton Appenzell Innerrhoden mit fast 87 Prozent Nein-Stimmen, gefolgt von Obwalden und Nidwalden mit rund 84,7 Prozent respektive 83,9 Prozent Nein. Die höchste Zustimmung fand die Initiative in den Westschweizer Kantonen Neuenburg und Genf mit lediglich je knapp 57 Prozent Nein-Stimmen.

Der Föderalismus im Stipendienwesen bleibt damit erhalten, ebenso die Unterschiede zwischen den Kantonen: Einige Kantone richten zwar viele Stipendien aus, aber nur tiefe Beträge, andere unterstützen nur wenige Studierende, diese dafür grosszügig.

Genau das wollte der VSS, unterstützt von SP, Grünen, Gewerkschaften und Jugendorganisationen, mit der Stipendieninitiative ändern. Für Studierende an Hochschulen und in der höheren Berufsbildung sollte das Stipendienwesen auf Bundesebene vereinheitlicht werden.

Während einer Erstausbildung hätten familiäre Unterstützung, Erwerbsarbeit und Stipendium zusammen einen minimalen Lebensstandard gewährleisten sollen. Die Initianten gingen von einem Bedarf von 24'000 Franken pro Jahr aus. Diesen Betrag hätten etwa zur Hälfte mit Stipendien gedeckt werden sollen.

Die geschätzten Mehrkosten von rund 500 Millionen Franken pro Jahr dürften das Anliegen viele Stimmen gekostet haben. Ein anderes Problem war die Benachteiligung von Lernenden und Gymnasiasten, die heute die Mehrheit der Stipendien-Bezügerinnen und -Bezüger ausmachen. Für sie hätte der neue Verfassungsartikel nicht gegolten.

Vor allem aber haben die Kantone in den letzten Jahren bereits einen Schritt Richtung Vereinheitlichung gemacht. 2007 nahmen sie die Arbeit an einem Konkordat auf, mit dem die Grundsätze der Vergabe und die Höhe der Stipendien teilweise vereinheitlicht werden. Die Vereinbarung ist im März 2013 in Kraft getreten.

Wer an einer Hochschule studiert oder eine höhere Berufsbildung absolviert und Anrecht auf ein volles Stipendium hat, erhält gemäss Konkordat mindestens 16'000 Franken im Jahr. Mit Zürich, wo noch die Referendumsfrist läuft, sind bisher 17 Kantone beigetreten. Sie müssen die im Konkordat festgelegten Grundsätze bis 2018 umsetzen.

Mehrere Kantone, deren Beitritt zum Konkordat nach Angaben der Erziehungsdirektorenkonferenz noch offen ist, lehnten die Stipendieninitiative mit über 80 Prozent der Stimmen ab. Es waren neben Appenzell Innerrhoden sowie Ob- und Nidwalden die Kantone Schwyz und Zug.

Der Bundesrat, der die Initiative ablehnte, unterstützte das Vorgehen der Kantone. Um die Harmonisierung zu beschleunigen, schlug er dem Parlament das totalrevidierte Ausbildungsbeitragsgesetz als indirekten Gegenvorschlag vor. Dieses kann nach dem Nein zur Initiative in Kraft gesetzt werden, sofern kein Referendum dagegen ergriffen wird.

Beiträge des Bundes erhalten gemäss diesem Gesetz nur noch jene Kantone, die die Vergabekriterien des Konkordats einhalten. Faktisch bekommen die Kantone damit einheitliche Vorgaben zu den anerkannten Ausbildungen, zu Alterslimiten, zur Dauer der Beiträge oder zur Erwerbstätigkeit. Nach Ansicht der Initianten ist das Kernanliegen ihrer Initiative mit dem Konkordat nicht erfüllt.

Der Präsident der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK), Christoph Eymann, begrüsste am Sonntag das klare Nein. Ein Ja hätte ihm zufolge grosse Nebenwirkungen auf die Hochschulen gehabt.

So hätten die zusätzlichen Ausgaben für Stipendien Abstriche bei den Bildungsbudgets der Kantone bedeutet, zeigte sich Eymann am Sonntag auf Anfrage der sda überzeugt. Dies hätte bei Schweizer Hochschulen möglicherweise zu Qualitätseinbussen geführt.

Der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) lässt sich angesichts des Neins derweil nicht entmutigen. Er verbucht es als Sieg, das Anliegen auf die politische Agenda gesetzt zu haben.

Dass das Stipendienwesen reformiert werden müsse, werde kaum mehr bestritten, sagte Maxime Mellina vom VSS am Sonntag auf Anfrage der sda. Obwohl die Initiative abgelehnt wurde, habe der VSS auf ein ungerechtes System aufmerksam machen können.

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