«Wenn sie eingebürgert sind, sind sie noch lange keine Schweizer.» Mit dieser Botschaft wurde letztes Wochenende von einem Anwesen in Herrliberg aus die absurde Polemik über zwei Nati-Stars weitergetrieben, die an der WM mit der Doppeladler-Geste jubelten. Im Kern lautete die Aussage: Ein «echter Schweizer» ist, wer nur eine einzige Identität für sich beansprucht und dabei seine Herkunft und kulturellen Hintergründe verleugnet. Eingebürgerte mögen zwar den roten Pass haben, aber das ist für manche offenbar nicht Beweis genug, dass sie dem Land auch wirklich treu sind.
«Kulturelle Vielfalt hat die Schweiz reich gemacht»
Mit einer solchen Logik schwört man der Schweizer Identität ab. So etwas wie gute oder schlechte Schweizer gibt es nämlich nicht. Ob jemand im Ausland geboren ist, den Pass erst seit kurzem besitzt oder mehrere Nationalitäten auf sich vereint: Das darf alles keine Rolle spielen. Die Schweiz wurde auf verschiedenen Kulturen aufgebaut. Das hat sie reich gemacht – vor allem an Vielfalt. Besonders gut sieht man das bei uns in Genf, wo über 40 Prozent Ausländer und vor allem ein rekordhoher Anteil an Doppelbürgern leben.
Die Schweiz ist eine Willensnation. Die Bürger bringen sich im Gemeinwesen aktiv ein, sie sind nicht einfach nur Inhaber eines Passes. Wenn also 35 Prozent der Rekruten einen Migrationshintergrund haben, muss man sich eingestehen: Unsere Sicherheit beruht auch darauf, dass wir junge Menschen schnellstmöglich und vollständig integrieren können.
Ich bin überzeugt: Die Schweiz hätte es auf jeden Fall verdient gehabt, sich für den WM-Viertelfinal zu qualifizieren. Dank einer Nati, die sich wohlfühlt in ihrer Haut. Sie ist stolz, das Schweizer Kreuz auf der Brust zu tragen, das uns alle in so vielem verbindet. Und sie weiss ganz genau: Das Geheimnis der vereinten Schweiz ist ihre Vielfalt.
Pierre Maudet (40) ist Regierungspräsident des Kantons Genf. Der FDP-Politiker ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er schreibt jeden zweiten Mittwoch im BLICK.