Die Identität eines Menschen setzt sich aus allem zusammen, wo er dazugehört. So habe ich das vor zwei Wochen in dieser Kolumne beschrieben. Das war kurz bevor der Schweizerische Fussballverband die unnötige Polemik über Doppelbürger im Fussball losgetreten hat. Heute bin ich stolz wie nie auf mein französisches Dasein – der Romand in mir dagegen leidet. Und zwar wegen der Medien.
Die Zeitung «Le Matin» gibt es ab nächster Woche nicht mehr. In den letzten Jahren mussten bereits «La Suisse», das «Journal de Genève», der «Nouveau Quotidien» und auch «L'Hébdo» die Segel streichen. «Le Matin» ist so etwas wie der welsche BLICK. Es ist die Zeitung der Leute. Man liest sie in der Beiz, sie ist stets am Puls der Bevölkerung und sie wagt es auch, die Dinge beim Namen zu nennen.
Jammern hilft nichts
Hinter dem Verschwinden eines Mediums steckt eine ökonomische Logik, die nicht aufzuhalten ist. Das Modell der traditionellen Zeitung auf Papier, die sich über Werbeeinnahmen finanziert, ist überholt. Da hilft alles Jammern nichts. Im Gegenteil: Man muss die Gelegenheit beim Schopf packen und das neue Gesetz über elektronische Medien vorantreiben.
Das Nein zu No Billag hat gezeigt, wie viel den Schweizern an Information durch den Service public liegt. Jetzt ist es an der Zeit, über folgende Frage nachzudenken: Über welche Kanäle bringt man diese Information künftig an die Leute, wenn man die Unabhängigkeit der Journalisten, die unterschiedlichen Blickwinkel auf ein Thema und den Respekt vor den kulturellen Minderheiten – darunter die Romandie – in unserem Land bewahren will?
Social Media verstärken Vorurteile
Nicht weniger als die freie Meinungsbildung steht auf dem Spiel. Und es werden nicht die sozialen Medien sein, die diese retten. Dort sind die Informationen schlechter überprüfbar, sie sind weniger vielfältig und bestätigen uns häufig nur in unseren ohnehin schon gemachten Meinungen und Vorurteilen.
Gerade in der Schweiz, die auf dem Konsens gründet, ist die Vielfalt sehr wichtig. Es liegt an uns, sie zu schützen.
Pierre Maudet (40) ist Regierungspräsident des Kantons Genf. Der FDP-Politiker ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er schreibt jeden zweiten Mittwoch im BLICK.