Jetzt wird es ganz eng in Schweizer Krankenhäusern. Im Unispital Zürich war am Sonntagmorgen auf der Intensivstation noch genau ein Bett frei. Wegen des erneuten Anstiegs der Corona-Zahlen spitzt sich die Lage weiter zu. Letzte Woche schlugen fünf Unispitäler in einem gemeinsamen Brief an Gesundheitsminister Alain Berset (48) Alarm.
Nun ist klar: Gleich in zehn Kantonen hatte es am Dienstagmittag keine freien zertifizierten Intensivbetten mehr. Das erklärte Andreas Stettbacher vom Koordinierten Sanitätsdienst (KSD) vor den Medien. Es handelt sich dabei um die Kantone Freiburg, Genf, Glarus, Graubünden, Solothurn, Tessin, Thurgau, Waadt, Wallis und Zug.
«Die Hilferufe sind sehr ernst zu nehmen»
Lokal gebe es aber grosse Unterschiede, so Stettbacher. Von den landesweit 1077 Intensivbetten seien noch 238 frei. Das entspricht 22 Prozent. Und: Auf den Intensivstationen steigt der Anteil an Corona-Patienten. Sie machen derzeit 57 Prozent aus.
«Die Hilferufe aus den Spitälern sind sehr ernst zu nehmen», betont denn auch Patrick Mathys vom Bundesamt für Gesundheit (BAG). «Das Personal ist am Limit. Es wird diese Leistung nicht langfristig erbringen können.»
Patientenzahlen werden weiter steigen
Doch es könnte noch schlimmer werden. Weil die Fallzahlen steigen, gehen die Behörden mit einer Verzögerung von 10 bis 14 Tagen von einer weiteren Zunahme der Spitaleinweisungen aus. Um den Druck auf das Gesundheitssystem zu verringern, brauche es nun Massnahmen, die zu einem raschen Rückgang der Fallzahlen führten.
Ähnlich dramatisch wie bei den Intensivbetten sieht es bei den Akutbetten aus: Am Dienstag waren von schweizweit 22'132 Betten noch 5455 frei – das sind 25 Prozent. «Wir haben noch Reserven, müssen aber dazu Sorge tragen», betonte Stettbacher. Werden die Infektionszahlen nicht rasch gesenkt, drohe eine Überlastung des Gesundheitssystems.
Die Zahlen ändern stündlich. Das Spitalpersonal sei bemüht, auf den Intensivstationen freie Kapazitäten zu schaffen. Manche Patienten können auf die Akutabteilungen verlegt werden. Oder in andere Spitäler. Andere Patienten sterben.
Corona-Patienten brauchen doppelt so viel Personal
Ein Problem sei die Betreuungsintensität von Corona-Patienten. Diese sei doppelt so hoch wie bei anderen Patienten und brauche doppelt so viel Personal, stellten Vertreter der Zürcher Spitäler an einer gemeinsamen Medienkonferenz klar.
Kommt hinzu: Alleine am Zürcher Unispital (USZ) sind 101 Mitarbeiter wegen Corona in Isolation oder in Quarantäne. Das ist ein Prozent des Personalbestandes. «Wenn ich die Fallzahlen anschaue, sehe ich kein Ende», sagte Direktor André Zemp vom Stadtspital Waid und Triemli. Sollte dieser monatelange Marathon noch länger andauern, habe er Sorge, dass Personal kündigt. «Weil sie einfach nicht mehr mögen.»
Der USZ-Direktor Gregor Zünd kann sich deshalb nicht vorstellen, wie die Schweiz um einen Lockdown herumkomme.