Knapp 8000 Stimmen haben Esther Friedli (45) für den Triumph gefehlt. Die St. Galler Nationalrätin zog am Sonntag bei den Ständerats-Ersatzwahlen an ihren Kontrahentinnen vorbei. 55'660 Stimmen machte sie – über doppelt so viel wie die Zweitplatzierte Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP, 56). Für das absolute Mehr reichte es aber nicht – weshalb es am 30. April zum zweiten und entscheidenden Wahlgang kommt.
Für die SVP geht es um viel. Noch nie hat sie es im Kanton St. Gallen geschafft, einen Ständeratssitz zu holen. Unter jenen, die es schon vergebens versucht haben, ist auch Friedlis Lebenspartner, der ehemalige SVP-Präsident Toni Brunner (48).
«Jetzt müssen wir noch einmal Vollgas geben»
Eine Chance ergibt sich für die SVP nun mit dem Rücktritt des SP-Urgesteins Paul Rechsteiner (70), der nach 36 Jahren im Bundeshaus in Polit-Pension ging. Barbara Gysi (58), mit der die Genossen Rechsteiners Sitz verteidigen wollen, kann nur rund 22'000 Stimmen auf sich vereinen und landete damit auf Platz 3. Knapp dahinter folgt Grünen-Kandidatin Franziska Ryser (31). Alle vier Stöckli-Anwärterinnen sitzen gegenwärtig im Nationalrat.
Friedli war die Erleichterung anzusehen, als die Ergebnisse bekannt gegeben wurden. «Ich freue mich über das gute Resultat. Noch ist das Rennen aber nicht gelaufen. Jetzt müssen wir noch einmal Vollgas geben!», sagt die SVP-Kandidatin zu Blick. Sie sei äusserst motiviert und werde weiterhin täglich unterwegs sein, um Stimmen für sich zu gewinnen.
Ryser zieht sich zurück
Die Viertplatzierte Ryser hat nach Vorliegen des Ergebnisses mitgeteilt, ihre Kandidatur zurückzuziehen. Sie und Gysi hätten im Vorfeld vereinbart, dass sich die Kandidatin mit den weniger Stimmen zurückziehe; daran halte sie sich. Die Grünen-Politikerin will nun ihre SP-Kollegin unterstützen.
Vincenz-Stauffacher hat sich noch nicht dazu geäussert, ob sie noch einmal antritt. «Ich bin zufrieden mit dem Resultat. Die FDP hat in St. Gallen einen Wähleranteil von 15 Prozent. Mit 21 Prozent der Stimmen ist es mir gelungen, über die Basis hinaus zu mobilisieren», sagt sie. Sie werde das Ergebnis nun setzen lassen und mit der Familie und der Partei «intensive Gespräche führen», sagte sie. Auch zwischen den Parteien werde es Gespräche geben.
Was tun FDP und SP?
Die Chancen Friedlis stehen und fallen mit der Strategie, die ihre Konkurrentinnen fahren. Ist ihr oberstes Ziel, die SVPlerin zu verhindern? Dann müsste sich entweder Gysi oder Vincenz-Stauffacher zurückziehen. Die FDPlerin dürfte wohl die besseren Chancen haben, im Zweikampf gegen Friedli zu gewinnen.
Doch es ist fraglich, ob die SP dazu bereit ist, den Sitz im zweiten Wahlgang kampflos aufzugeben – auch wenn aus ihrer Perspektive eine FDP-Ständerätin sicherlich das kleinere Übel wäre. Im linken Lager besteht die Hoffnung, dass man Vincenz-Stauffacher dazu bringen kann, sich aus dem Rennen zu nehmen. Das Argument: Zusammen haben SP und Grüne viel mehr Stimmen geholt als sie.
Kurzum: Die Ausgangslage ist verzwickt. Im Verlauf der kommenden Woche dürfte klar werden, wer sich durchsetzt.