Die Tänzer sind Philipp Müller, FDP-Präsident, der im ersten Durchgang 71'445 Stimmen gemacht hat und sich unter gewöhnlichen Umständen wohl beste Wahlchancen ausrechnen könnte. Dann ist da Hansjörg Knecht, der SVP-Kandidat, der im ersten Durchgang 77'255 Stimmen gemacht hat und sich unter gewöhnlichen Umständen wohl keine wirklichen Wahlchancen mehr ausrechnen könnte – er hat die Wählerbasis in seiner Partei ausgeschöpft und findet ausserhalb über zu wenig Anklang. Und schliesslich ist da noch Ruth Humbel, die CVP-Nationalrätin, die mit ihren 33'900 Stimmen unter gewöhnlichen Umständen die Segel streichen müsste.
Sippenhaft mit dem AZ-Verleger
Nun sind die Umstände nicht gewöhnlich im Aargau. Und deshalb wird getanzt um den letzten Platz im Stöckli, jeder und jede nach seiner Façon und Befindlichkeit. Philipp Müller, tanzt, sagen wir, einen unaufgeregten, schnörkellos-unkomplizierten Foxtrott. Er hat sich nicht nur wegen seinem tragischen Unfall Zurückhaltung auferlegt im Wahlkampf. Der lautstarke Vorwurf der Christdemokraten, die lokale «Aargauer Zeitung» (AZ) würde «in einem Trommelfeuer an einseitiger Darstellung» als Trompeter für die Kandidatur Müller fungieren, lässt klugerweise keine ausladenden Tänze zu. Schliesslich könnten Bösmeinende auch noch den AZ-Verleger Peter Wanner samt Gattin in Sippenhaft nehmen. Beide sind sie Mitglied der FDP, der Gatte hat schon zweimal erfolglos versucht in den Nationalrat zu gelangen und die Gattin politisierte im Aargauer Grossen Rat.
Es gibt ja die, die unterstellen wollen, im Aargau sei unter diesen Umständen die Objektivität der Presse nicht mehr gegeben. Die CVP Aargau, die politische Sturmtruppe der krass abgeschlagenen Ruth Humbel will nun den Presserat anrufen, um exakt dies feststellen zu lassen – ein hoffnungsloses Unterfangen. Bis die selbsternannten Ethikwächter der Presse entschieden haben, ist die Wahl vorbei, und Humbel mit einiger Sicherheit nicht im Bundesratszimmer. Und so tanzt sie einen wilden Tanz der Verzweiflung.
Die Provokation der Linken
Derweil kann Hansjörg Knecht ruhige Tanzschritte wählen. Die Dinge im Aargau laufen schliesslich für den SVP-Mann und dies viel stärker als sich dieser wohl zu erhoffen wagte. Sekundiert wird er neuerdings von einem, der sich quasi durch die Hintertüre in dieses Tanzensamble hineingemogelt hat, und nun jedes Taktgefühl vermissen lässt: Cédric Wermuth, Aargauer SP-Co-Präsident und Nationalrat, einer der den provokativen Auftritt sucht – koste es, was es wolle. Eine Humbel kommt für den Sozi nicht in Frage, weil zu bürgerlich, zu wenig links. Ein Philipp Müller kommt für den Sozi nicht in Frage: ein FDP-Parteipräsident im Stöckli wäre ihm zu mächtig. Und durch diese eigenwillige Tanzeinlage des Cédric Wermuth bekommt der SVP-Knecht wohl zu einigen Stimmen aus dem linken Lager, die im Idealfall für ihn sogar zum Wahlsieg reichen könnten. «Das», meint der SP-Präsident zur NZZ, «nehmen wir bewusst in Kauf.»
Und BLICK meint: Die Schwarzen und die Roten im Aargau machen «s’Chalb» und ziehen damit den Urnengang ins Lächerliche.