Das Volk soll wissen, wie ihre Parlamentarier abstimmen. Politiker sollen zu ihren Entscheidungen stehen. Diese zwei Grundsätze verfolgte der Verein «Politnetz»: Nachdem der Nationalrat bereits transparenter gemacht wurde, war der Ständerat an der Reihe.
Weil dort noch von Hand abgestimmt wurde, wollte ich jede Abstimmung minutiös filmen und anhand des Videomaterials auswerten, wer wie stimmt. Zusammen mit dem damaligen «Politnetz»-Geschäftsführer Thomas Bigliel. Zu Beginn hat aber niemand damit gerechnet, dass wir bereits mit den ersten Video-Auswertungen einen frappanten Zähl-Fehler aufdecken würden.
Es ging um das wichtige Importverbot von Krokodil- und Schlangenleder aus tierquälerischer Produktion. Im Ständerat wurden je 18 Stimmen dafür und dagegen gezählt. Gleichstand – Ständeratspräsident Filippo Lombardi (CVP) stimmte im Stichentscheid dagegen.
Unser Video zeigte jedoch klar und deutlich, dass 19 Hände für die Bekämpfung von Tierquälerei stimmten. Es folgte ein Hin und Her. Das Ratsbüro wollte uns das Aufnahmerecht entziehen. Ein weiterer Zählfehler musste entdeckt werden, bis der Druck so gross und die elektronische Abstimmungs-Anlage eingeführt wurde.
Eine komplette Transparenz gab es jedoch auch dann nicht: Die Gesamt- und Schlussabstimmungen wurden veröffentlicht, die wichtigeren Detailentscheidungen jedoch nicht. Wer wissen will, wie die einzelnen Ständeräte etwa bei den 70 Franken bei der Rentenreform stimmte, muss mühsam im Video-Archiv suchen.
Heute vor 169 Jahren wurde die moderne Schweiz – und damit auch der Ständerat – gegründet. Heute hätte der Ständerat die Geheimniskrämerei abschaffen können. Er tat es jedoch nicht – und verpasste damit eine historische Chance.
Der BLICK-Redaktor war zwischen 2013 und 2014 bei «Politnetz» angestellt. Zusammen mit dem damaligen Geschäftsführer Thomas Bigliel filmte er mehrere Monate lang jede Abstimmung im Ständerat.