SP will mehr Grenzwächter, SVP will sparen
Verkehrte Welt an Schweizer Grenzen

Die SVP hat sich mehrmals für ein starkes Grenzkorps ausgesprochen und damit Wahlkampf betrieben. Nun will sie plötzlich auf einen Ausbau verzichten.
Publiziert: 23.11.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 20:58 Uhr
SVP-Politiker wie Albert Rösti (l.) und Nadja Pieren (M.) und ihre ganze Fraktion forderten noch im Sommer mehr Grenzkontrollen.
Foto: Yvonne Leonardi
Sermin Faki, Christof Vuille

Die Sicherung der Grenze steht bei der SVP weit oben auf der Agenda. So verlangte die Bundeshausfraktion per Motion gar systematische Grenzkontrollen. Eine Forderung, die Parteipräsident Albert Rösti an der Delegiertenversammlung im August wiederholte.
 

Und nun diese Kehrtwende: «Die Fraktion hat sich dafür ausgesprochen, vorderhand auf einen weiteren Ausbau des Grenzwachtkorps (GWK) zu verzichten», sagt Vize-Fraktionschef Thomas Aeschi zu BLICK. Das GWK sei 2016 bereits um 48 Stellen aufgestockt worden. Bereits im nächsten Jahr 36 zusätzliche Grenzwächter zu rekrutieren, sei «nicht realistisch», so der Zuger Nationalrat.

Dem Entscheid gingen intensive Diskussionen voraus. Denn die Sicherheitskommission des Nationalrats (SIK) hatte die Finanzpolitiker per Brief gebeten, die Stellen zu bewilligen. Auch SVP-Sicherheitsexperten wie Werner Salzmann sprachen sich dafür aus. «In dieser Frage schlagen zwei Herzen in der SVP-Brust», sagt er offen.

Den Ausschlag zugunsten der Staatskasse gab ausgerechnet der Finanzminister aus der eigenen Partei. «In der SIK habe ich mich für die zusätzlichen Stellen ausgesprochen. Die Fraktion und Bundesrat Maurer haben mich aber vom Gegenteil überzeugt», sagt der Berner und schliesst sich Aeschis Argumentation an.

Druck auf Grenze bleibt

Und so kommt es in der Budgetberatung zur überraschenden Situation, dass sich die Linke für einen Ausbau des Grenzschutzes einsetzt – und die Rechte mehrheitlich dagegen hält. «Ich unterstütze eine Aufstockung des GWK», sagt SP-Finanzpolitikerin Mattea Meyer, die sich im Sommer in Como (I) und Chiasso selbst ein Bild über die Arbeitsbedingungen gemacht hat. «Das GWK muss genügend Leute haben, um die Rechte der Flüchtlinge garantieren zu können», erklärt sie.

Ganz aufgegeben haben auch bürgerliche Sicherheitspolitiker noch nicht. So will SIK-Präsidentin Corina Eichenberger (FDP) fürs GWK kämpfen: «Der Druck auf die Grenze bleibt weiterhin gross.»

Aus diesem Grund wundert sich auch Beat Flach (GLP), dass der Bundesrat plötzlich keinen Bedarf mehr sieht. «Das GWK sagt seit Jahren, dass es mehr Leute braucht.»

Tatsächlich: Kommt es an der Grenze doch wieder zu Ausnahmezuständen wie im Sommer 2015, kündigt man bei der SVP schon jetzt eine abermalige Wende an: «Sollte sich im nächsten Sommer die Lage an der Grenze verschärfen, müsste eine Aufstockung des GWK erneut geprüft und zwischenzeitlich auf die Armee zurückgegriffen werden», sagt Aeschi. Diese kann gemäss Bundesrat aber nur im äussersten Notfall und nur unterstützend eingreifen.

Die Grenzer im Stich gelassen

Kommentar von Matthias Halbeis, Co-Politchef

Mit den Grenzen machte die SVP Wahlkampf: Im Sommer 2015 reisten ihre Politiker medienwirksam ins Tessin. Danach präsentierte die Partei düstere Szenarien: Die Schweiz bedroht von allen und allem. Flüchtlingskrise, Kriminaltourismus, islamistischen Terroristen.

Und SVP-Finanzminister Ueli Maurer liess sich mehr als Freund denn als Chef der Grenzwächter ablichten. Höchstpersönlich griff er zum Nachtsichtgerät. Thema war stets auch der Stress und die Überbelastung der Männer und Frauen, die unser Land bei Nacht und Nebel sicherer machen.

Das ist plötzlich vorbei und vergessen: Jetzt findet die SVP die Personal-Aufstockung nicht mehr nötig. Die Grenzwächter werden es der grössten Partei kaum danken: Sie dürfen herhalten, wenn die SVP Grenzprobleme bewirtschaftet – aber wenns um Grenzer-Probleme geht, lässt man sie allein.

Dabei ist klar: Bei der nächsten Flüchtlingswelle wird die SVP wieder zuvorderst Alarm schlagen. Und mehr Grenzschutz fordern.

Kommentar von Matthias Halbeis, Co-Politchef

Mit den Grenzen machte die SVP Wahlkampf: Im Sommer 2015 reisten ihre Politiker medienwirksam ins Tessin. Danach präsentierte die Partei düstere Szenarien: Die Schweiz bedroht von allen und allem. Flüchtlingskrise, Kriminaltourismus, islamistischen Terroristen.

Und SVP-Finanzminister Ueli Maurer liess sich mehr als Freund denn als Chef der Grenzwächter ablichten. Höchstpersönlich griff er zum Nachtsichtgerät. Thema war stets auch der Stress und die Überbelastung der Männer und Frauen, die unser Land bei Nacht und Nebel sicherer machen.

Das ist plötzlich vorbei und vergessen: Jetzt findet die SVP die Personal-Aufstockung nicht mehr nötig. Die Grenzwächter werden es der grössten Partei kaum danken: Sie dürfen herhalten, wenn die SVP Grenzprobleme bewirtschaftet – aber wenns um Grenzer-Probleme geht, lässt man sie allein.

Dabei ist klar: Bei der nächsten Flüchtlingswelle wird die SVP wieder zuvorderst Alarm schlagen. Und mehr Grenzschutz fordern.

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