Ein Sex-Skandal erschüttert das Bundeshaus: Der Walliser CVP-Nationalrat Yannick Buttet (40) hat seine Ex-Geliebte gestalkt – und soll Parlamentarierinnen belästigt haben. Doch keine der Frauen will namentlich hinstehen.
Weil sie fürchten, stigmatisiert und als zickig dargestellt zu werden. Und weil es eben nicht reicht, jemanden anzuprangern. Man müsse bereit sein, Anzeige einzureichen, sagt die Genfer Grüne Lisa Mazzone (29), die selbst auch schon mit Belästigung konfrontiert war: «Sonst läuft eine Frau Gefahr, selbst wegen Verleumdung angezeigt zu werden.»
Beim Lohn ist die Hürde geringer
Doch sexuelle Belästigung ist schwer nachzuweisen. Der Walliser SP-Nationalrat Mathias Reynard (30) eilt den Frauen nun zu Hilfe. Er hat – einen Tag, bevor die Vorwürfe gegen Buttet bekannt wurden – einen Vorstoss eingereicht, der eine sogenannte Beweislasterleichterung fordert: Opfer müssten die Übergriffe nicht mehr beweisen, sondern nur noch «glaubhaft» machen. Stattdessen müsste der mutmassliche Täter seine Unschuld beweisen.
Für andere Formen der Diskriminierung, etwa beim Lohn, gibt es diese Beweislasterleichterung bereits. Dass sie ausgerechnet bei sexueller Belästigung fehlt, findet Reynard «beunruhigend», wie er der NZZ sagt.
80 Prozent der Klagen scheitern
Reynard verweist auf eine Umfrage des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) aus dem Jahr 2007, nach der 18 Prozent aller Beschäftigten bereits sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt haben.
Und gemäss einer Studie der Universität Genf endeten Klagen wegen Belästigung in über 80 Prozent der Fälle zugunsten der mutmasslichen Täter. «Der Hauptgrund dafür ist die Schwierigkeit, die fraglichen Machenschaften zu beweisen», so Reynard gegenüber der Zeitung.
Grosse Vorbehalte bei den Bürgerlichen
Ob Reynard der bürgerlichen Ratsmehrheit mit seinem Vorschlag durchdringen kann, ist allerdings fraglich. Selbst in der CVP gibt es kritische Stimmen. Man fürchtet, dass die Unschuldsvermutung – ein wichtiger Grundsatz im Strafrecht – eingeschränkt würde.
Vor sechs Jahren, als ein ähnlicher Vorstoss im Parlament beraten wurde, wies die Rechtskommission zudem darauf hin, dass es bei sexueller Belästigung oft keine objektiv nachweisbaren Fakten gebe – anders als etwa bei der Lohndiskriminierung. (sf)