Er beherrscht beides meisterhaft: die fundierte Analyse und die effektvolle Provokation. Auch deshalb zählt Ex-Preisüberwacher und alt SP-Nationalrat Rudolf Strahm (72) noch immer zu den wichtigsten Ökonomen im Land. Weniger bekannt ist, dass er weiterhin im Bundeshaus die Fäden zieht. Strahm gehört dem engsten Zirkel von Bundesrätin Simonetta Sommaruga (SP) an. Kurzum: Sein Wort hat Gewicht.
Umso grösser ist dieser Tage die Irritation bei vielen Parteigenossen Strahms. Seit Wochen treibt die SVP die übrigen Parteien mit ihrer Asyl-Kampagne vor sich her. Doch während die SP versucht, die Diskussion zu versachlichen, heizt Sozialdemokrat Strahm die Debatte weiter an. Und zwar von rechts. Zunächst räsonierte er in der «Weltwoche» über «Drückebergerei und Sozialstaatsmissbrauch» in der Schweiz. Strahm benannte sogar die Schuldigen: Es lebten Gruppen hier, «die von ihrer Herkunft her die sozialstaatlichen Einrichtungen ausnützen und ausreizen.»
Sind also ganze Volksgruppen oder Ethnien Sozialschmarotzer? Zweimal bat BLICK Strahm um eine Erklärung der Aussage. Strahms Antwort: «Kein Kommentar.»
Dafür legte der Berner gestern im «Tages-Anzeiger» nach: Strahm beklagte die hohe Sozialhilfequote bei Flüchtlingen («Asylanten») und sprach sich für eine «Arbeitspflicht» für Asylbewerber aus.
Viele in der SP teilen zwar die Einschätzung, dass die Integrationsbemühungen verstärkt werden müssen. Doch sind sie sauer, dass «der Strahm» mitten im Wahlkampf zu einem solchen Sololauf ansetzt.
«Seine Einwürfe sind nicht hilfreich für die SP und schon gar nicht für die Problemlösung», sagt Ausländerpolitikerin Silvia Schenker (BS). «Zu pauschalisierend» sei der Vorwurf, Asylsuchende und Ausländer wollten nicht arbeiten.
Auch Nationalrat Corrado Pardini (BE) ist erstaunt: «Ich verstehe nicht, welche Biene Strahm da gestochen hat. Es gibt schon mehr als genügend Rechte, die Stimmung gegen Ausländer machen. Da braucht es nicht auch noch einen Rudolf Strahm.» Zudem sei die Behauptung falsch, Zuwanderer würden Arbeit aktiv meiden oder den Sozialstaat gar ausreizen. «Ausser bei der Arbeitslosenversicherung sind Migranten bei allen Sozialwerken Nettozahler», sagt Pardini.
Wenig überrascht von Strahms Ausbruch nach rechts zeigt sich demgegenüber alt SP-Präsident Peter Bodenmann: «Die Menschen aus Eritrea sollen eine Landessprache lernen und arbeiten», findet er. Doch: «Bei Strahm kommt das immer zwanghaft und fremdenfeindlich daher. Strahm war, ist und bleibt im Herzen ein Schweizer Demokrat.»