Würde die FDP die SP tatsächlich überholen, wäre dies ein historischer Bruch: Letztmals lag die Rechtspartei bei den Nationalratswahlen 1991 vor den Linken. 2015 hatte der damalige FDP-Chef Philipp Müller (66) schon einmal versucht, an der SP vorbeizuziehen. Die Freisinnigen legten zwar zu, aber nicht genug. Die SP hatte mit 18,8 Prozent die Nase weiterhin klar vor der FDP mit 16,4 Prozent.
Jetzt versucht FDP-Präsidentin Petra Gössi (43) das Meisterstück: «Wir wollen die SP überholen», sagte sie schon letztes Jahr im BLICK. Und diesmal könnte der Coup gelingen. Gemäss SRG-Wahlbarometer liefern sich die beiden Parteien ein Kopf-an-Kopf-Rennen – beide liegen mit 17,4 Prozent gleichauf.
Bei SP schrillen die Alarmglocken
Kein Wunder, schrecken die Genossen nun auf. «Die Umfrage ist ein Alarmsignal zum richtigen Zeitpunkt», sagt SP-Wahlkampfchefin und Nationalrätin Nadine Masshardt (34, BE). Es sei eine Momentaufnahme, aber noch keine Trendwende, betont sie.
Dass die SP insbesondere an ihre grüne Schwesterpartei Wähleranteile verliert, ist gemäss Umfrage insbesondere der Klima-Thematik geschuldet. «Auch wenn die SP in der Energiepolitik womöglich sogar mehr Sachkompetenz besitzt als die Grünen, ist es aus Sicht der Wählenden naheliegend, der Wichtigkeit dieser Thematik mit einer Grünen-Wahl Nachdruck zu verleihen», heisst es im Wahlbarometer. Da beide Parteien ähnlich positioniert seien, sei die Schwelle für Wechselwähler tief.
Boden gut machen mit Klimapolitik und Prämien-Initiative
Die SP will nun umso mehr Gegensteuer geben: «Wir werden in der Klimapolitik wie bisher konkrete Lösungen vorlegen und damit wieder Boden gutmachen», ist sich Masshardt sicher. Zudem will sie in den nächsten Monaten auch mit der Prämienentlastungs-Initiative punkten, welche die SP nächste Woche lanciert. «Die Krankenkassenprämien sind in der Bevölkerung das Topthema, da sind wir inhaltlich gut unterwegs.»
An der Wahlkampfstrategie müsse die SP jedenfalls nichts ändern, so Masshardt. «Der erste echte Gradmesser sind die kantonalen Wahlen in Zürich und Luzern – und ich bin guten Mutes, dass wir dort zulegen werden.»
Und auch mit Blick auf die Nationalratswahlen im Oktober bleibt sie zuversichtlich: «Wir können 20 Prozent schaffen.»
Warum allerdings die FDP deutlich zulegt, ist für Masshardt «ein Rätsel». Zumal die FDP im Nationalrat «jeden Fortschritt – etwa im Klimaschutz – verhindert».
Ist das der «Gössi-Effekt»?
Vielleicht ist der Erfolg der FDP aber kein Rätsel, sondern einfach dem «Gössi-Effekt» geschuldet? «Da müssen Sie andere fragen», winkt Gössi lachend ab. Aus der Freude über das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden Parteien macht sie keinen Hehl: «Wir sind unserem Wahlziel so nah wie nie!» Die Kampfansage an die SP führe zu einer Mobilisierung der Basis, ist Gössi überzeugt.
Dass die FDP im Vergleich zu 2015 nochmals zulege, dafür gebe es auch inhaltliche Gründe: «Wir werden als die Partei wahrgenommen, die den bilateralen Weg konsequent verteidigt», sagt die Schwyzerin. Auch die Bundesratswahlen mit Karin Keller-Sutter hätten der FDP geholfen. «Und die Affäre um Pierre Maudet ist bei den Wählern zum Glück kein Thema.»
Gössi sieht noch mehr Potenzial
Allerdings ist sie überzeugt, dass die FDP noch mehr zulegen könnte. «Die Diskussion um das CO2-Gesetz hat uns nicht geholfen», sagt Gössi. «Wir sind mit unserer Position nicht durchgedrungen und wurden faktisch für etwas abgestraft, was nicht wir verursacht haben, sondern eine unheilige Allianz aus SP, Grünen und SVP.»
Tatsächlich dürfte die GLP davon profitiert haben, dass die FDP bei den Klimademonstrationen das Label als «Fuck de planet»-Partei aufs Auge gedrückt bekam.
Das Wahlbarometer kommt aber zum Schluss, dass der «Klima-Hype» die SP mehr Anteile gekostet hat als die FDP. Ist der Hype mal durch, könnte die SP wieder Wechselwähler von den Grünen zurückgewinnen, die FDP bei der GLP. Der Zweikampf zwischen SP und FDP um Platz zwei bleibt damit weiterhin spannend.