Für FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter (55) steht 2020 eine Entscheidungsschlacht bevor: Voraussichtlich im Mai kommt die Kündigungs-Initiative der SVP vors Volk. Ein Ja bedeutet das Aus für die Personenfreizügigkeit – und damit für den bilateralen Weg.
Um dieses Szenario zu verhindern, spannt die FDP-Frau mit den Gewerkschaften zusammen. Mit einer Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose will sie die SVP ausbooten.
Am Donnerstag entscheidet der Ständerat über die Vorlage. Doch der Deal ist in Gefahr: In der FDP, aber auch CVP, mehren sich die kritischen Stimmen (BLICK berichtete). Nicht nur zum Ärger von Keller-Sutter, sondern auch von Gewerkschaftsboss und SP-Nationalrat Pierre-Yves Maillard (51, VD), wie er im BLICK-Interview klarmacht.
BLICK: Herr Maillard, in der FDP mehren sich die kritischen Stimmen gegenüber der Überbrückungsrente. Sie fürchten einen unnötigen Ausbau des Sozialstaats.
Pierre-Yves Maillard: Die Leute, die nach einem Arbeitsleben in der Sozialhilfe ihre Karriere beenden müssen, sehen es sicher nicht so. Die Überbrückungsleistung ist einfach eine gute Alternative zur Sozialhilfe. Die Kosten bleiben unter dem Strich in etwa gleich – aber Gemeinden und Kantone werden durch den Bund entlastet. In der Waadt kennen wir übrigens schon seit Jahren ein ähnliches System. Bei uns hat sich die Zahl der älteren Sozialhilfebezüger damit halbiert und der administrative Aufwand deutlich reduziert.
Einige Ständeräte befürchten aber, dass ältere Arbeitnehmer gerade wegen der Überbrückungsleistung eher entlassen werden.
In bürgerlichen Kreisen sollte man mehr Vertrauen in die Arbeitgeber haben. In der Waadt wurden diese Befürchtungen nicht bestätigt: Im Vergleich zu 2010 sind die Arbeitslosenzahlen der über 60-Jährigen sogar gesunken. Diese konkrete und langfristige Erfahrung sollte nicht einfach ignoriert werden. Das sind Fakten, nicht eine akademische Theorie.
Aber es ist doch falsch, aus Angst vor der SVP-Initiative die Überbrückungsrente durchs Parlament zu peitschen.
Falsch wäre es, die Angst der älteren Arbeitnehmer vor Arbeitslosigkeit nicht ernst zu nehmen und schwächere Personen auf dem Arbeitsmarkt sich selbst zu überlassen. Die bilateralen Abkommen sind ein Erfolg. Aber es gibt auch Verlierer, denen wir mit der Überbrückungsleistung gezielt helfen.
Geht es nach der FDP, wird die Vorlage zumindest verschärft.
Der Bundesrat hat in Absprache mit den Sozialpartnern ein ausgewogenes Paket vorgelegt. Ich werde in der Sozialkommission für diese Lösung kämpfen. Wenn es um wenige Feinanpassungen geht, bin ich aber pragmatisch.
Einige FDP-Vertreter erwarten aber für ihr Ja ein Entgegenkommen der Gewerkschaften beim EU-Rahmenabkommen.
Da gibt es wohl ein Missverständnis. Der Pakt gilt mit Blick auf die Kündigungs-Initiative. Die Lehre von der Masseneinwanderungs-Initiative wurde gezogen. Die konkreten Bedürfnisse der Leute müssen besser beachtet werden. Die Massnahmen zugunsten der älteren Arbeitnehmenden sind ein konkretes Zeichen in diese Richtung.
Die Gewerkschaften werden die SVP-Initiative doch sowieso bekämpfen!
2014 haben die Gewerkschaften schon gesagt, dass es Probleme gibt, die gelöst werden müssen. Das wurde nicht gehört, und wir haben das Resultat sehen können. Kommt die Überbrückungsleistung durch, ist das ein wichtiges Signal. Damit hat unsere Basis eine viel grössere Motivation, die SVP-Initiative zu bekämpfen. So können wir eine starke Kampagne machen, welche die entscheidende Differenz ausmachen kann.
Trotzdem ist der FDP-Einwand berechtigt. Daher nochmals: Weichen sich bei einem Ja zur Überbrückungsleistung auch die Fronten beim Rahmenabkommen auf?
Wir dürfen die SVP-Initiative nicht mit dem Rahmenabkommen vermischen. Erst, wenn die SVP-Initiative vom Tisch ist, können wir uns Gedanken darüber machen, auf welche Art und Weise die Beziehungen zur EU vertieft werden können. Je höher der Nein-Anteil ausfällt, umso so grösser werden die Chancen, eine gute Lösung für das Rahmenabkommen zu finden.
Ein Knackpunkt bleibt der Lohnschutz. Wird der Spielraum mit der Überbrückungsrente grösser?
Unsere Haltung ist klar: Wir müssen den Lohnschutz weiterhin autonom regeln können.
Ein Nachgeben bei der umstrittenen Acht-Tage-Regel ist aber möglich?
Entscheidend ist der autonome Lohnschutz. Bei der Anwendung der Acht-Tage-Regel waren wir immer flexibel, solange wir damit die Löhne weiterhin effizient verteidigen können.
Man weiss es seit langem: Menschen, die kurz vor dem Rentenalter ihre Stelle verlieren, haben grössere Schwierigkeiten wieder einen Job zu finden. Ihnen droht die Aussteuerung – und damit der Gang aufs Sozialamt.
Der Bundesrat will nun Gegensteuer geben: Wem nach dem 60. Geburtstag die Aussteuerung droht, der soll bis zum AHV-Alter eine Überbrückungsrente erhalten. Maximal 58'350 Franken pro Jahr soll es für eine Einzelperson geben, für Ehepaare höchstens 87 '525 Franken. Für alle gibt es die Überbrückungsleistung allerdings nicht.
- Berechtigt ist, wer mit 58 Jahren oder später seine Stelle verloren, dann 22 Monate Arbeitslosengeld erhalten hat, und dem nun die Sozialhilfe droht.
- Man muss mindestens 20 Jahre AHV-Beiträge bezahlt haben.
- Das Vermögen darf maximal 100'000 Franken Vermögen (200'000 Franken bei Ehepaaren) betragen. Selbstbewohntes Wohneigentum wird nicht angerechnet, das Ersparte aus der Säule 3a allerdings schon.
- Anspruchsberechtigt ist nur, wer keine IV-Rente erhält und auch seine AHV nicht vorbezieht.
Der Bundesrat geht davon aus, dass etwa 4400 Personen jährlich Anspruch auf eine Überbrückungsrente haben. Sermîn Faki
Man weiss es seit langem: Menschen, die kurz vor dem Rentenalter ihre Stelle verlieren, haben grössere Schwierigkeiten wieder einen Job zu finden. Ihnen droht die Aussteuerung – und damit der Gang aufs Sozialamt.
Der Bundesrat will nun Gegensteuer geben: Wem nach dem 60. Geburtstag die Aussteuerung droht, der soll bis zum AHV-Alter eine Überbrückungsrente erhalten. Maximal 58'350 Franken pro Jahr soll es für eine Einzelperson geben, für Ehepaare höchstens 87 '525 Franken. Für alle gibt es die Überbrückungsleistung allerdings nicht.
- Berechtigt ist, wer mit 58 Jahren oder später seine Stelle verloren, dann 22 Monate Arbeitslosengeld erhalten hat, und dem nun die Sozialhilfe droht.
- Man muss mindestens 20 Jahre AHV-Beiträge bezahlt haben.
- Das Vermögen darf maximal 100'000 Franken Vermögen (200'000 Franken bei Ehepaaren) betragen. Selbstbewohntes Wohneigentum wird nicht angerechnet, das Ersparte aus der Säule 3a allerdings schon.
- Anspruchsberechtigt ist nur, wer keine IV-Rente erhält und auch seine AHV nicht vorbezieht.
Der Bundesrat geht davon aus, dass etwa 4400 Personen jährlich Anspruch auf eine Überbrückungsrente haben. Sermîn Faki