Mario Fehr mutiert zum Spaltpilz der Schweizer Sozialdemokratie. Dass der prominente Zürcher Regierungspräsident selbständig denkt und auch mal von der Parteilinie abweicht, ist bekannt. Im Juni sorgte seine Rolle bei der Rückführung von vier gut integrierten tschetschenischen Mädchen für Kopfschütteln bei Parteikollegen. Nun hat er mit seiner Offensive für ein Burkaverbot in ein Wespennest gestochen. Seine SP hält nämlich nichts von Kleidervorschriften in der Verfassung – die Kritik von Parteikollegen folgte auf dem Fuss. Dass der neben den Bundesräten prominenteste SP-Exekutivpolitiker im selben Interview auch noch für das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG) weibelte, machte das Ganze auch nicht besser. Schliesslich hat die Delegiertenversammlung der SP deutlich die Nein-Parole beschlossen.
Doch damit nicht genug: Gemäss BLICK-Informationen ist Fehr diese Woche gar dem von der FDP angeführten Abstimmungskomitee beigetreten, das den Schlapphüten mehr Kompetenzen geben will. Damit äussert sich der SP-Mann nicht nur auf Anfrage gegen die eigene Partei, sondern macht sogar aktiv Kampagne gegen sie.
Fehr war auf Anfrage nicht erreichbar. Ein Sprecher sagt, dass Fehr ein Ja am 25. September am Herzen liege. Schliesslich sei auch der Kanton Zürich nicht vor Anschlägen gefeit. Pikant: Die Zürcher Regierung hat noch keine Parole zur Abstimmung gefällt – Präsident Fehr ist diesem Entscheid also zuvorgekommen. Der Sprecher verweist darauf, dass man sich in der Vernehmlassung bereits zustimmend geäussert habe.
Angeführt wird die Nein-Kampagne von den Jungsozialisten. Präsidentin Tamara Funiciello zeigt sich «schockiert» über Fehrs Engagement, das sie als «Affront» für die Basis bezeichnet. «Fehr wird für die SP zu einem ernsthaften Problem», sagt sie. Der Zürcher habe «den sozialdemokratischen Kompass endgültig verloren». Rücktrittsforderungen will sie zwar keine stellen, doch in der Partei brodelt es – auch wenn arrivierte Vertreter auf Anfrage versuchen, die Wogen zu glätten.
Denn nicht nur Fehr fällt der SP in den Rücken und lässt sich von der FDP einspannen. Mindestens ein Dutzend anderer prominenter SP-Exponenten ist dem Komitee beigetreten. Darunter der Freiburger Sicherheitsdirektor Erwin Jutzet sowie die Nationalrätinnen und Sicherheitspolitikerinnen Evi Allemann, Chantal Galladé, Edith Graf-Litscher und Rebecca Ruiz. Nächste Woche will das Komitee den Abstimmungskampf starten.
Michael Sorg, Co-Generalsekretär ad interim und Sprecher der SP Schweiz, erfährt von BLICK vom Engagement seiner Parteifreunde und beschwichtigt: «Das NDG ist kein Kerngeschäft der SP. Für uns steht am 25. September die AHV-plus-Initiative im Fokus.» Überrascht über das Engagement der abtrünnigen Parteikollegen ist er aber nicht.
Es sei «kein Problem, dass sie sich dem FDP-Komitee angeschlossen haben, aber am Nein der SP zum NDG ändert das nichts.» Im «Fall Fehr» ist der interne Ärger aber gross. «Ich würde ihm nach diesen Provokationen keine Träne nachweinen, wenn er die Partei verlässt», sagt ein Mitglied des Nationalrats.