SP-Nationalrat Schwaab tritt zurück – wegen seinem Sohn
«Familie kommt vor Politkarriere»

Das hat Seltenheitswert in der Schweizer Politik: Der SP-Politiker Jean Christophe Schwaab (38) stellt das Wohl seiner Familie über die eigene Karriere und tritt überraschend aus dem Nationalrat zurück. Er will sich mehr um seinen siebenjährigen Sohn kümmern, der an einer Entwicklungsstörung leidet. Doch der Rücktritt sei nicht das Ende seines politischen Schaffens, kündigt er an.
Publiziert: 02.11.2017 um 22:16 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 03:05 Uhr
Jean Christophe Schwaab hängt sein Nationalratsmandat an den Nagel - für die Familie
Foto: Keystone
Interview: Nico Menzato

Herr Schwaab, Sie treten Ende Jahr als Nationalrat zurück. Weil Sie öfter für Ihren Sohn da sein möchten, der an einer Entwicklungsstörung leidet. Wie äussert sich diese Störung?
Jean Christophe Schwaab: Mein siebenjähriger Sohn kann seine Emotionen nicht kontrollieren. Und er kann sich sehr schlecht anpassen und in eine Gruppe integrieren. Obwohl er sehr kontaktfreudig ist und gerne draussen mit Kindern spielt. Man muss aber ständig aufpassen und regelmässig intervenieren.

Wieso genau?
Nicht selten geht er in eine Ecke und weint. Oder er wird wütend, weil er ein Spiel der Kinder nicht versteht. Oder seine Spielidee nicht verstanden wird. Auch kommt er anderen Kinder manchmal zu nahe und wird zurückgestossen. Er kann daher nicht alleine mit dem Bus in die Schule und auch nicht in die Kita. Weiter ins Detail möchte ich nicht gehen.

Wann haben Sie diese Störung bemerkt?
Vor Jahren. Die Situation hat sich in den letzten sechs Monaten aber verschlechtert. Jetzt haben meine Frau und ich entschieden, dass er zumindest vorübergehend nicht mehr in der normalen Schule bleiben kann. In der Schulklasse leidet er zu sehr, aber auch seine Klassenkameraden und seine Lehrerin. Ein Entschied, wie es längerfristig weitergehen soll, ist noch offen.

Neben Ihrem siebenjährigen Sohn haben Sie eine vierjährige Tochter.
Ihr geht es zum Glück gut.

Der Rücktritt aus dem Nationalrat ist ein mutiger Entscheid. Sie galten als SP-Hoffnungsträger in der Romandie. Wie schwer ist er Ihnen gefallen?
Sicher nicht einfach. Ich habe das Amt geliebt, und es ist schön mitzuhelfen, die Schweiz voranzubringen. Aber ich stand vor der Wahl: Was hat wirklich Priorität für mich? Der Entscheid ist über den Sommer gereift: Meine Familie geht der Arbeit als Politiker vor.

Arbeiten Sie nun gar nicht mehr?
Doch. Mein Amt als Gemeinderat in meiner Gemeinde Bourg-en-Lavaux behalte ich. Es ist etwa ein 30-Prozent-Pensum. In ein paar Jahren sehen wir weiter. Ich interessiere mich weiterhin für die Kantonal- und Bundespolitik. Meine Auszeit ist nicht das definitive Ende meiner Karriere in der Bundespolitik. 

Hat auch Ihre Frau ihr Pensum reduziert?
Ja, auf 60 Prozent. Sie arbeitet als Ärztin in einer Gemeinschaftspraxis. Für uns war klar, dass wir nicht nach dem traditionellen, patriarchalen Modell leben wollten, wo der Mann arbeitet und die Frau sich um die Kinder kümmert. 

Bereuen Sie Ihren Entscheid bereits ab und an?
Das Nationalratsmandat war nicht länger vereinbar mit meiner familiären Situation. Die Situation meines Sohnes erfordert viel Präsenz und Verfügbarkeit. Ich möchte ihm jetzt eine ganz besondere Aufmerksamkeit schenken. Aber dafür musst du da sein. Es ist nicht möglich, wenn ich in Bern bin. Jedes Mal, wenn ich von meiner Frau angerufen werde, springe ich aus dem Nationalratssaal, um sofort zu antworten und zu reagieren, wenn etwas passiert ist. Ich fühle mich schuldig, weil ich dann so weit weg bin. Nein, ich bin mir sicher, dass ich die richtige Wahl getroffen habe.

Jean Christophe Schwaab

Jean Christophe Schwaab (38) sitzt seit 2011 für die Waadtländer SP im Nationalrat. Zuvor war der promovierte Jurist und Gewerkschafter bereits Mitglied des Grossen Rats des Kantons Waadt. Zudem ist er im Gemeinderat von Bourg-en-Lavaux.

Schwaab ist verheiratet und lebt mit seiner Familie in Riex VD. Er gilt als grosse Nachwuchshoffnung der Westschweizer Sozialdemokratie.

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Jean Christophe Schwaab (38) sitzt seit 2011 für die Waadtländer SP im Nationalrat. Zuvor war der promovierte Jurist und Gewerkschafter bereits Mitglied des Grossen Rats des Kantons Waadt. Zudem ist er im Gemeinderat von Bourg-en-Lavaux.

Schwaab ist verheiratet und lebt mit seiner Familie in Riex VD. Er gilt als grosse Nachwuchshoffnung der Westschweizer Sozialdemokratie.

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