Die SP ist im Angriffsmodus: Heute klagt sie den Kanton Aargau ein. Sie verlangt mehr Geld für die Krankenkassen-Prämienverbilligung. Damit greifen die Genossen auf eine Taktik zurück, die in Luzern ihren Anfang nahm. Der Kanton musste dort die Prämienverbilligungen erhöhen, nachdem das Bundesgericht interveniert hatte (BLICK berichtete).
Dass die SP nun auch den Aargau vor den Kadi zerrt, kommt nicht von ungefähr: Sie versucht mit Cédric Wermuth (33), den Ständeratssitz der abtretenden Pascale Bruderer (42) zu verteidigen. Kein Wunder, reden die anderen Parteien von blossem Wahlkampfgeplänkel und kritisieren die linke Umverteilungspolitik.
«Wenn ein Parlament das Gesetz nicht umsetzt, ist es Bürgerpflicht, zu klagen», stellt sich SP-Chef Christian Levrat (49) hinter die Aargauer Genossen. Andere Kantone haben nach dem Verdikt aus Lausanne von sich aus gehandelt und die Prämienverbilligung erhöht. «Davon haben bisher über 250'000 Menschen profitiert», betont Levrat.
Keine Prämienerhöhungen mehr
Doch das genügt ihm nicht. Deshalb legt die SP in der Herbstsession mit einem Vorstoss nach: Sie fordert ein Prämienmoratorium. Das heisst: per sofort keine Prämienerhöhungen mehr.
Dabei hat die SP die finanziellen Reserven der Krankenkassen im Visier. Diese beliefen sich per Ende 2018 auf 8,3 Milliarden Franken. Gut vier Milliarden mehr, als vom Bund als Minimum vorgeschrieben.
«Kein Mensch versteht, weshalb die Krankenkassen derart hohe Reserven horten», sagt Levrat. Tatsächlich sind die Gelder kontinuierlich gestiegen – allein in den vergangenen zehn Jahren um fünf Milliarden Franken. «Das ist nackter Diebstahl am Volk. Dieses Geld gehört den Prämienzahlern.»
Obergrenze für Reserven
Fakt ist: Heute wird nur die Mindestreserve für jede einzelne Kasse vom Bund festgelegt, eine Obergrenze fehlt.
Als Minimum gilt dabei die sogenannte Solvenzquote von 100 Prozent. Das heisst: Damit können die Leistungen für die Versicherten auch nach einem sehr schlechten Geschäftsjahr bezahlt werden. Die meisten Kassen liegen weit darüber. Ende 2017 lag die Solvenzquote insgesamt bei 186,5 Prozent – und dürfte mittlerweile weiter gestiegen sein.
Nun will die SP eine Obergrenze von 150 Prozent setzen. «Damit gewähren wir den Kassen ein angemessenes Sicherheitspolster. Doch was darüber liegt, muss als ‹missbräuchlich einkassiert› taxiert und zurückbezahlt werden», so Levrat. «Bis die Reserven abgebaut sind, braucht es deshalb einen Prämienerhöhungsstopp!»
Stopp für 40 Krankenkassen
Der Stopp würde damit für gut 40 der aktuell 51 Krankenkassen gelten. Darunter finden sich auch etliche grosse Kassen mit teils deutlich zu viel Geld im Topf. So etwa Visana, Concordia, Sympany, Helsana, Progrès oder Swica. Die Minikasse Ingenbohl hat gar sechs Mal zu viel.
Doch das Moratorium würde wohl nur zwei, drei Jahre funktionieren, dann wären die Reserven abgebaut. Davon lässt sich Levrat nicht beirren: «Die Schmerzgrenze ist für viele längst erreicht. Deshalb braucht es auch unsere Prämienentlastungs-Initiative.»
95'000 Unterschriften für Volksinitiative
Mit dem Volksbegehren will die SP die Prämien auf zehn Prozent des Einkommens deckeln. Die Unterschriftensammlung ist dabei auf der Zielgeraden. «Wir haben 95'000 Unterschriften gesammelt und befinden uns im Schlussspurt. Diesen Samstag findet ein nationaler Sammeltag statt», so Levrat. «Wir wollen die Initiative noch vor den Wahlen im Oktober einreichen.»
BLICK: Herr Levrat, die SP ist mitschuldig an der steigenden Prämienlast. Alt Bundesrätin Ruth Dreifuss hat das heutige System eingeführt. Und jetzt ist SP-Gesundheitsminister Alain Berset am Drücker.
Christian Levrat: Ach was, die SP macht ständig Vorschläge gegen die steigende Prämienlast. Wir fordern seit langem eine öffentliche Krankenkasse, um den kostspieligen Scheinwettbewerb zu beenden. Nur haben die bürgerlichen Krankenkassen-Lobbyisten sämtliche Fortschritte verhindert und bremsen Berset systematisch aus.
Sie treten ebenso auf die Reformbremse: Der Nationalrat möchte die freie Arztwahl einschränken, doch die SP bockt.
Ich lasse mir doch von den Kassen nicht den Hausarzt vorschreiben. Jeder will einen Arzt, dem er vertraut. Nur so geht man bei Beschwerden rechtzeitig zum Arzt und verhindert damit teure Folgekosten. Das entlastet das Gesamtsystem. Die SP wird das Referendum ergreifen, wenn die freie Arztwahl eingeschränkt wird. Das hat das SP-Präsidium am Mittwoch beschlossen.
Trotzdem: Das Problem ist doch, dass die SP lieber Geld umverteilt als Kosten spart.
Nein, wir wollen sparen, wo es etwas bringt: Es braucht eine strengere Spitalplanung, die Löhne der Spezialärzte müssen sinken und ebenso die Medikamentenpreise. Generika etwa sind bei uns doppelt so teuer wie im nahen Ausland, obwohl darin null Forschung steckt. Interview: Ruedi Studer
BLICK: Herr Levrat, die SP ist mitschuldig an der steigenden Prämienlast. Alt Bundesrätin Ruth Dreifuss hat das heutige System eingeführt. Und jetzt ist SP-Gesundheitsminister Alain Berset am Drücker.
Christian Levrat: Ach was, die SP macht ständig Vorschläge gegen die steigende Prämienlast. Wir fordern seit langem eine öffentliche Krankenkasse, um den kostspieligen Scheinwettbewerb zu beenden. Nur haben die bürgerlichen Krankenkassen-Lobbyisten sämtliche Fortschritte verhindert und bremsen Berset systematisch aus.
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