Der Fall von Yves Donzallaz (58) lässt das Bundeshaus nicht zur Ruhe kommen. Im August machte SonntagsBlick publik, dass die SVP um Fraktionschef Thomas Aeschi (41) in der Gerichtskommission vergeblich versucht hatte, eine Wahlempfehlung für den eigenen Bundesrichter zu verhindern. Dann erklärte die SVP-Bundeshausfraktion, kommenden Mittwoch nicht zu wählen.
Die anderen Parteien sind empört. Ein Treffen der Parteispitzen über die Zusammensetzung der Landesregierung sagten sie ab. Grünen-Präsident Balthasar Glättli (48, ZH) dachte im «Tages-Anzeiger» gar über einen Bundesrat ohne SVP-Vertreter nach. Der Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz soll mit vereinten Kräften abgewehrt werden, lautet die Botschaft. Über die Strategie aber sind sich die Parteien nicht einig. Die Sozialdemokraten wollen die Richterwahl verschieben. Doch das Büro des Nationalrates lehnte einen entsprechenden Antrag ab. Die Genossen dürften nun via Ordnungsantrag in letzter Minute versuchen, die Wahl in den Winter zu verlegen. Dass die Vereinigte Bundesversammlung dem aber zustimmt, scheint unwahrscheinlich.
Gefahr für die Gewaltenteilung
Für diesen Fall droht SP-Präsident Christian Levrat (50, FR), den eigentlich unumstrittenen Richtern der SVP die Stimme zu verweigern. Der Umgang der SVP mit Bundesrichter Donzallaz markiert für Levrat «eine Zäsur für die politische Kultur der Schweiz», wie er erklärt. Dieser Angriff der Rechtspartei auf die Justiz dürfe nicht ohne Reaktion bleiben. «Und eine Reaktion wird erfolgen», macht der Freiburger Ständerat deutlich. Man habe in Polen oder Ungarn gesehen, wohin es führe, wenn die Politik die Gerichte zu lenken beginne.
Für die Partei ist die Attacke auf Donzallaz längst nicht mehr nur ein Gezerre um einen einzelnen Richter, sondern eine Gefahr für die Gewaltenteilung. Liest man die Absage des Konkordanzgipfels vor diesem Hintergrund, könnte die Auseinandersetzung bald die Frage aufwerfen, welche Rolle die anderen Parteien der SVP im Staat noch zugestehen wollen.
Die Zeit drängt. Das einzig Richtige wäre daher eine Verschiebung der Wahl, wiederholt Levrat. In der so gewonnenen Zeit will die SP das Verhältnis der SVP-Bundesrichter zu ihrer Partei unter die Lupe nehmen. «Sollte dies nicht geschehen, kann ich persönlich nicht mit gutem Gewissen meine Stimme für die Richter der SVP abgeben.»
«Keine Aktion für die Galerie»
Damit bricht Levrat mit der Regel, wonach das Bundesgericht entsprechend der Parteienstärke zusammengesetzt sein muss und die Fraktionen untereinander ihre Ansprüche nicht bestreiten. Auch das, sollte es so weit kommen, wäre eine Zäsur. Und eine, die dem SP-Präsidenten nicht ganz geheuer ist: «Das ist keine Aktion für die Galerie. Mir passt es überhaupt nicht, diese Personen nicht zu wählen», räumt Levrat ein. «Aber wenn ich mir die Hände schmutzig machen muss, dann ist es nun einmal so.»
Levrats Haltung gründet auf den Aussagen Donzallaz’ im Nachgang seiner Anhörung bei der SVP-Fraktion. In einem Interview mit der «NZZ» berichtete der Bundesrichter von Druckversuchen seitens der Partei und warf der SVP vor, die Justiz für politische Zwecke zu instrumentalisieren. «Yves Donzallaz beschreibt, wie die SVP mit ihren Bundesrichtern Fälle diskutiert, wie eine Partei versucht, Urteile zu beeinflussen», sagt Levrat. Donzallaz wehre sich dagegen und werde bestraft.
Im Umkehrschluss heisst dies für den SP-Chef: «Die restlichen elf Richterinnen und Richter der SVP sind am Gängelband ihrer Partei.» Das habe mit Gewaltenteilung nichts zu tun. Das sei totalitär. «Wenn die Wahl am Mittwoch also stattfindet, werde ich diese Richter nicht wählen.» Die SP-Fraktion wird am Dienstag darüber befinden, ob sie diesem Antrag folgt.
Für die Zukunft denkt der SP-Präsident über ein neues Wahlprozedere nach. Vielleicht sei eine Reform angezeigt. Bei der Überarbeitung der Freiburger Kantonsverfassung war der damalige Grossrat und Jurist vor 20 Jahren massgeblich beteiligt. In Freiburg werden die Richter seither auf unbefristete Zeit gewählt. Solche Überlegungen geistern seit Tagen durchs Bundeshaus. Um den Konflikt zu entschärfen, den die SVP losgetreten hat, kommen sie zu spät.