Gross war der Jubel der Rechten am 18. Oktober 2015. Die SVP hatte ein Rekordergebnis erzielt und im Nationalrat elf zusätzliche Sitze geholt. Die Freisinnigen stoppten ihren jahrelangen Niedergang; auch sie legten zu. In der grossen Kammer verfügen die beiden Parteien seither über eine knappe Mehrheit.
Zwei Monate später durften die Rechtsbürgerlichen schon wieder feiern: Als Nachfolger der Mittepolitikerin Eveline Widmer-Schlumpf (62, BDP) wählte die Bundesversammlung den SVP-Winzer Guy Parmelin (59) in den Bundesrat. Der rechte Durchmarsch schien perfekt, die Jahre, als Mitte-links der Schweiz ihren Stempel aufdrückte, endgültig vorüber. Die SP warnte vor einem rechten Powerplay und vor «kalten Zeiten», die nun auf das Land zukämen.
Drei Jahre später zieht SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann (45) Bilanz. Das Fazit des Waadtländers: «Die Rechte hat nichts aus ihrem Wahlsieg gemacht – aber auch gar nichts. Sie hat alle Fortschritte blockiert, aber selber nichts erreicht. Wir blicken auf eine verlorene Legislatur zurück.» Das SVP-FDP-Tandem habe inhaltlich wenig hinbekommen.
Probleme hätten mit der Unternehmenssteuer-Reform begonnen
Für Nordmann steht nicht einmal der Flop mit der SVP-Selbstbestimmungs-Initiative im Vordergrund. Die Probleme hätten mit der Unternehmenssteuer-Reform begonnen: «In ihrem Siegesrausch haben sie die Vorlage dermassen überfrachtet, dass es für uns ein Leichtes war, sie zu bodigen.» Im Februar 2017 schickte der Souverän das bürgerliche Prestigeprojekt mit fast 60 Prozent bachab. Es war die erste brutale Ohrfeige für die Wahlsieger von FDP und SVP.
Die Blocher-Partei wurde im selben Jahr gleich nochmals in den Senkel gestellt. Bei der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative hatte sie laut Nordmann «keinen brauchbaren Umsetzungsvorschlag». SP und FDP hätten dann eine Personenfreizügigkeits-kompatible Ausführung gezimmert: «Die SVP wagte nicht, das Referendum zu lancieren. Es ist krass, wie die Bundesratspartei SVP immer wieder versucht, sich aus der Verantwortung zu stehlen.»
Auch im Bundesrat habe die Rechte wenig aus ihrer Mehrheit gemacht. Als die Landesregierung vor einigen Wochen plante, die Vorschriften für Waffenexporte zu lockern, gab es einen Aufschrei in der Bevölkerung – der freisinnige Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (66) krebste zurück. Nordmann: «Ein schlechteres Empfinden für die Ansichten der Bevölkerung kann ein Bundesrat kaum haben.»
Einen Erfolg konnten die Rechten verbuchen
Auch die Exponenten der Sieger von 2015 machten eine schlechte Falle. Als mahnendes Beispiel erwähnt der SP-Fraktionschef seinen Konterpart von der SVP, den Zuger Nationalrat Thomas Aeschi (39), seit November 2017 im Amt. «Aeschi reichte in der Debatte um das Budget 2018 unzählige unausgegorene Kürzungsvorschläge ein – und ist darauf noch stolz. Aber nur die wenigsten wurden angenommen.» Nordmann fragt sich, ob dies wirklich die Art von Politik sei, die sich Aeschis Anhänger wünschen: «Seriosität sieht anders aus!»
Immerhin einen wichtigen Erfolg konnten die Rechtsbürgerlichen verbuchen, wie auch Roger Nordmann einräumen muss: Im letzten Herbst versenkten sie die Rentenreform von Mitte-links und verhinderten so, dass nach vielen erfolglosen Anläufen eine Reform der Sozialwerke eine Mehrheit beim Volk fand.
Diese bittere Niederlage fuchst den Genossen bis heute: «Aber es ist symptomatisch – der einzige Erfolg der Rechten war die Verhinderung einer sinnvollen Reform. Selbst haben sie nichts durchgebracht, was den Menschen im Land nützen würde.»
Darum steht für Nordmann fest: «Die SP konnte mit ihrer konstruktiven Opposition die schlimmsten Auswüchse der rechten Machtpolitik abwenden. Aber die rechte Mehrheit ist nicht in der Lage, fortschrittliche Projekte zu beschliessen.»
«Die SP muss wachsen»
Aus Sicht der SP könne man sich über so viel Unfähigkeit der Bürgerlichen freuen. «Für das Land aber», so Nordmann, «ist diese Lähmung schlecht.» Typisches Beispiel sei die Klimapolitik. Da habe der Bundesrat vorgeschlagen, das Tempo der CO2-Reduktion zu halbieren. Zu nennen seien aber auch die Bücklinge von SVP und FDP vor der Krankenkassenlobby, so der Sozialdemokrat.
Die Genossen hätten sich für das kommende Wahljahr denn auch zum Ziel gesetzt, die Mehrheit aus FDP und SVP zu brechen – so brüchig sie in den vergangenen drei Jahren auch war.
Nordmann kurz und knapp: «Die SP muss wachsen, die SVP Anteile verlieren.» Dann könnten die Sozialdemokraten mit ihren Partnern die Defensive verlassen und wieder vermehrt eigene Akzente setzen – «in wechselnden Koalitionen», wie Nordmann betont: «Wir können nicht den Anspruch haben, alleine durchzumarschieren».
Einige zusätzliche Sitze könnten aber den Ausschlag geben. «Vier weitere Jahre rechter Reformstau wären Gift für die Schweiz. Es braucht wieder konstruktive Allianzen.»
Schwerpunkte möchten die Sozialdemokraten in Fragen der Gleichstellung und beim Zugang zum Arbeitsmarkt setzen – sowie in der Klimapolitik, «der grössten Herausforderung unserer Generation».
Die Linke möchte auch die Aussenpolitik wieder stärker prägen. Just auf diesem Feld war die SP zuletzt ins Hintertreffen geraten: FDP und SVP pochten erfolgreich darauf, dass der Migrationspakt dem Parlament vorgelegt werden muss. Zudem kämpft die SP – da sie den Lohnschutz gefährdet sieht – im Widerstand gegen ein Rahmenabkommen mit der EU plötzlich Seite an Seite mit der SVP. Die «konstruktive Oppo-
sition» der Sozialdemokraten
hat zuweilen überraschende
Seiten.