Bundesrat setzt Schranken
Bewilligungspflicht für Versicherungsdetektive

Am 25. November entscheidet das Stimmvolk, ob Versicherungsdetektive künftig bei Verdacht auf Missbrauch IV-Bezüger oder Unfallversicherte observieren dürfen. Der Bundesrat legt nun offen, wie er bei einem Ja die Details regeln würde.
Publiziert: 21.09.2018 um 10:10 Uhr
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Aktualisiert: 02.10.2018 um 15:26 Uhr
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Gegnerinnen und Gegner der Observation von Versicherten – angeführt von Autorin Sibylle Berg – auf dem Bundesplatz. (Archivbild)
Foto: KEYSTONE/ADRIAN REUSSER

Noch bevor das Volk am 25. November über das Gesetz befindet, dass es Sozialversicherungen erlaubt, ihre Kunden weitestgehend ohne richterliche Genehmigungen zu überwachen, konkretisiert der Bundesrat dessen Umsetzung. Gestern schickte er die Verordnung in die dreimonatige Vernehmlassung.

Zur Erinnerung: Das Gesetz erlaubt es Sozialversicherungen, ihre Kunden weitestgehend ohne richterliche Genehmigungen zu überwachen. Das richterliche OK brauchen sie nur für Instrumente zur Standortbestimmung, also für den Einsatz von GPS-Trackern. Bild- und Tonaufnahmen jedoch können die Versicherungen in Eigenregie anordnen. Ein Bürgerkomitee rund um Autorin Sibylle Berg (49) hat dagegen ein Referendum ergriffen.

Sozialdetektive brauchen Bewilligung und entsprechende Ausbildung

Die Umsetzung des Schnüffel-Gesetzes sieht vier wesentliche Punkte vor. Erstens: Versicherungsdetektive benötigen für Observationen Bewilligungen. Diese erteilt und entzieht das Bundesamt für Sozialversicherung und gilt für fünf Jahre. Für ein Bewilligungsgesuch müssen die Detektive 700 Franken locker machen.

Zweitens: Die Sozialdetektive müssen die nötigen Rechtskenntnisse, eine Polizei- oder gleichwertige Ausbildung sowie Erfahrung in der Personenüberwachung aufweisen. Zudem müssen einen einwandfreien Leumund haben, sprich sie dürfen in den letzten zehn Jahren nicht wegen eines Verbrechens oder Vergehens im Zusammenhang mit Observationen verurteilt worden sein.

Betroffene müssen nachträglich informiert werden

Drittens: Die Betroffenen müssen nachträglich über eine Observation informiert werden und Akteneinsicht erhalten. So können sie eine Observation von einem Gericht überprüfen lassen. Spätestens bei einer Neuverfügung über die Sozialleistungen müssen die Betroffenen informiert werden.

Viertens: Die Observation muss systematisch und umfassend dokumentiert werden, wobei Datensicherheit und Vertraulichkeit gewährleistet sein müssen. Die Verordnung  legt auch die Grundsätze der Aktenvernichtung fest.

Der Bundesrat lege seine Umsetzungspläne deswegen bereits vor der Abstimmung vor, damit die Stimmberechtigten sich ein umfassendes Bild machen könnten, schreibt er gestern.

Gegner: «Bundesrat verpasst Eingrenzung der Willkür»

Darüber seien die Referendumsführer überrascht gewesen. Die beiden Kampagnenleiter Dimitri Rougy und Daniel Graf hat die Regierung mit der Verordnung auf jeden Fall nicht besänftigt: «Der Bundesrat hat eine grosse Chance zur Eingrenzung der Willkür verpasst.» Die Verordnung erfülle lediglich, was das Gesetz von ihr verlangt.

Viel brisanter sei aber, was nicht darin steht. Die Landesregierung habe es versäumt, der willkürlichen Observation Schranken zu setzen, indem sie keine rechtsstaatlichen Grenzen definiert und auch nicht festhält, was die Sozialdetektive tatsächlich dürfen und wie sie arbeiten müssen, so ihr Vorwurf. «Die wichtigsten Punkte wie der Schlüsselloch-Paragraph und der Richter-Vorbehalt sind weiterhin nicht geregelt», kritisiert Graf.

Mit Schlüsselloch-Paragraph ist gemeint, dass Betroffene an allen Orten beobachtet werden dürfen, die von einem allgemein zugänglichen Ort aus frei einsehbar sind. Es sei nun umso wichtiger, die Abstimmung zu gewinnen. Denn der Bundesrat habe heute bestätigt, dass er «diese Willkür bei den Sozialversicherungen, bei der Überwachung von uns allen» wolle, so Rougy. (duc)

Alle Abstimmungen auf einen Blick

Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.

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