Zwei Polinnen rufen aufgeregt: «Papa! Papa!» Der Mann im weissen Gewand wendet sich ihnen zu, winkt und – da ist es: das freundliche, nette Gesicht eines älteren Herrn. Er lächelt, dreht sich wieder um und schreitet in das Gebäude des Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf, den er, der Papst, am Donnerstag besuchte.
Der Schreiber dieser Zeilen fühlt sich augenblicklich um 34 Jahre zurückversetzt. Auch damals blickte er aus kurzer Distanz einem Nachfolger des Apostels Petrus ins Gesicht: Bei seiner Schweiz-Visite am 14. Juni 1984 pilgerte Johannes Paul II. nach Flüeli-Ranft OW. Der Journalist war als junger Ministrant dabei und stand andächtig Spalier, als der Heilige Vater im Wallfahrtsort zur Messe schritt.
Der Einfluss der Kirche ist erodiert
Die Welt war in den 80er-Jahren eine andere als heute, ebenso wie die Schweiz. Der Pontifex, ein Pole, trat für eine Öffnung des kommunistischen Osteuropas ein. Und die Heimat des Redaktors – die Innerschweiz – war ein homogener, katholischer Block.
Auf den Klassenfotos der ersten Klasse lachen daher auch die gleichen Kinder in die Kamera wie auf dem Bild der Erstkommunion – logisch: Der gesamte Dorfnachwuchs hatte die gleiche, die römisch-katholische Konfession.
Auf dem Pausenplatz im Stanser Knirischulhaus machten wir jeweils einen Witz. «Weisst du, an was Bruder Klaus gestorben ist?» Antwort: «An einer Kissenschlacht.» Alle Kinder lachten. Denn alle wussten, dass der etwas wunderliche Emerit der Sage nach in seiner Klause einen Stein als Kopfkissen benutzt haben soll. Niklaus von der Flüe spielte für uns eine identitätsstiftende Rolle, der Papst war für die meisten eine unangefochtene Autorität.
Zurück zur Gegenwart: Egal, wie man zum 81-jährigen Stellvertreter Christi auf Erden steht – er ist nicht zu beneiden. Der Einfluss, nicht nur seiner Glaubensgemeinschaft, ist erodiert, die Kirche kämpft mit Mitgliederschwund. Im Alltag der Menschen spielt sie, spielt der Glaube eine immer kleinere Rolle.
Ein Champion der Allgemeinplätze
Interessant, mit wie viel Unverbindlichkeit der Papst darauf reagiert: offensichtlich bemüht, den Eindruck zu erwecken, es sei alles im Lot. In Genf erweist er sich als wahrer Champion der Allgemeinplätze. Dem Bundespräsidenten Alain Berset (46, SP) empfiehlt er in einer gemeinsamen Unterredung allen Ernstes, dass im Zentrum von politischen Überlegungen der Mensch zu stehen habe.
Den rund 30'000 Messegängern in der Palexpo-Halle (ursprünglich hatte man mit über 40'000 gerechnet) ruft er zu, «wieder ein einfacheres Leben zu führen». Und beim ökumenischen Dachverband gibt er zu Protokoll, die Einheit der Christen sei das Ziel.
Was die Schweizer Katholiken mit diesen Botschaften anfangen sollen, bleibt wohl ein Rätsel. Knapp zehn Stunden war Franziskus diese Woche in der Schweiz. Zehn Stunden voller Reden, Ansprachen, Grussworten. Ausser einigen unverbindlichen Sätzen wird von diesem Besuch wenig bleiben.
Ob der Pontifex durch die Visite die Position der katholischen Kirche in der Schweiz wieder stärken konnte, darf angezweifelt werden. War es eine verpasste Chance? Vielleicht will oder kann der Papst es gar nicht besser. Franziskus ist wohl wirklich ein netter, freundlicher Mann – nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Für eine Messe und ein Treffen mit dem Papst nimmt auch eine Bundesrätin einiges auf sich. Am Morgen beim Empfang des Pontifex am Flughafen war Doris Leuthard (55) noch nicht dabei – sie musste in Bern das neue Mediengesetz präsentieren. Am Abend erschien die Christdemokratin dann rechtzeitig zum Gottesdienst und verabschiedete Franziskus, als dieser wieder nach Rom zurückflog.
Überhaupt glänzte die CVP – fast klischeehaft für die Partei mit den katholisch-konservativen Wurzeln – mit einem Grossaufgebot in der Palexpo-Halle. Mehrere Regierungsräte der Partei nahmen in der ersten Reihe Platz.
Für den Genfer Sicherheitsdirektor und Protestanten Pierre Maudet (40) bedeutet der Auftritt des Heiligen Vaters vor allem viel Arbeit. Den ganzen Tag war er mit dem Kommandanten der Kantonspolizei in Kontakt. Probleme gab es aber keine. Der FDP-Staatsrat hatte vielleicht auch das originellste Geschenk für Franziskus. Er übergab dem Papst ein bisschen Erde vom Grab des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges, der in Genf begraben liegt. Das Oberhaupt der katholischen Kirche gilt als grosser Bewunderer seines Landsmannes.
Aber nicht nur die CVP zog der Papst in seinen Bann. Auch Sozialisten liessen sich das Spektakel nicht nehmen. Die italienisch-schweizerische Doppelbürgerin und Waadtländer SP-Nationalrätin Ada Marra (45) machte auf jeden Fall keinen Hehl daraus, wie sehr sie sich auf die Messe freue. Ob Genosse oder Christdemokrat: Kalt lässt der Nachfolger Petri auch die Politiker nicht.
marcel odermatt
Für eine Messe und ein Treffen mit dem Papst nimmt auch eine Bundesrätin einiges auf sich. Am Morgen beim Empfang des Pontifex am Flughafen war Doris Leuthard (55) noch nicht dabei – sie musste in Bern das neue Mediengesetz präsentieren. Am Abend erschien die Christdemokratin dann rechtzeitig zum Gottesdienst und verabschiedete Franziskus, als dieser wieder nach Rom zurückflog.
Überhaupt glänzte die CVP – fast klischeehaft für die Partei mit den katholisch-konservativen Wurzeln – mit einem Grossaufgebot in der Palexpo-Halle. Mehrere Regierungsräte der Partei nahmen in der ersten Reihe Platz.
Für den Genfer Sicherheitsdirektor und Protestanten Pierre Maudet (40) bedeutet der Auftritt des Heiligen Vaters vor allem viel Arbeit. Den ganzen Tag war er mit dem Kommandanten der Kantonspolizei in Kontakt. Probleme gab es aber keine. Der FDP-Staatsrat hatte vielleicht auch das originellste Geschenk für Franziskus. Er übergab dem Papst ein bisschen Erde vom Grab des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges, der in Genf begraben liegt. Das Oberhaupt der katholischen Kirche gilt als grosser Bewunderer seines Landsmannes.
Aber nicht nur die CVP zog der Papst in seinen Bann. Auch Sozialisten liessen sich das Spektakel nicht nehmen. Die italienisch-schweizerische Doppelbürgerin und Waadtländer SP-Nationalrätin Ada Marra (45) machte auf jeden Fall keinen Hehl daraus, wie sehr sie sich auf die Messe freue. Ob Genosse oder Christdemokrat: Kalt lässt der Nachfolger Petri auch die Politiker nicht.
marcel odermatt