Sommarugas Flucht vor Köppel zeigt
Der SP fehlt ein scharfer Hund

Die SP findet keine Strategie gegen die rechte Übermacht im Parlament. Und sie hat keine Köpfe für einen Gegenangriff.
Publiziert: 30.04.2016 um 01:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 00:46 Uhr
Bundesrätin Simonetta Sommaruga unterhält sich mit SP-Fraktionschef Roger Nordmann im Nationalrat.
Foto: MONIKA FLUECKIGER
Sermîn Faki

Ist Roger Köppel ein Flegel? Simonetta Sommaruga dünnhäutig? Diese Fragen mag jeder anders beantworten. Eines aber zeigt der Eklat zwischen dem SVP-Nationalrat und der SP-Justizministerin deutlich: Die SP hat noch keinen Plan, wie sie mit der bürgerlichen Übermacht, die seit den letzten Wahlen im Bundeshaus herrscht, umgehen soll. 

Anstatt sich schützend vor die eigene Bundesrätin zu stellen, verschlief die Fraktion den Angriff Köppels auf Sommaruga ganz einfach – und überliess es später CVP, BDP und FDP, ihn in den Senkel zu stellen. Unverständlich – oder war wirklich keinem Genossen die Idee gekommen, dass der «Weltwoche»-Verleger nicht nur seine Editorials, sondern auch die Auftritte im Parlament für Provokationen nutzen würde?

Beleidigte Leberwürste

«Vielleicht sind wir wirklich noch nicht so wach, wie es die geänderten Verhältnisse im Parlament erfordern würden», sagt der Baselbieter Eric Nussbaumer und fordert: «Wir müssen unsere Lernkurve steigern.» Auch SP-Urgestein Peter Bodenmann geht mit seiner Partei hart ins Gericht. Statt Ueli Maurer anzugreifen, weil er die Briefkasten-Praktiken in Panama verteidigt hat, spiele die SP wegen Köppels Angriff auf Sommaruga beleidigte Leberwurst, schreibt er in einem Beitrag, der nächste Woche im Westschweizer Magazin «L'Hebdo» erscheinen wird.

Diese Erkenntnis setzt sich so langsam auch in der SP-Fraktion durch. «Vielleicht hätte es andere Möglichkeiten gegeben, auf Köppels Diffamierungen zu reagieren», sagt die Zürcher Nationalrätin Jacqueline Badran. Doch sie weiss ebenfalls nicht, welches Kraut gegen Köppel, der zweifellos weiterhin mit dem Zweihänder austeilen wird, gewachsen ist. «Was ist denn das Rezept gegen einen Propaganda-Minister?» fragt sie, sieht die Schuld aber vor allem bei den Medien, denen «der Mut fehlt, so offensichtliche Provokationen ins Leere laufen zu lassen».

Es fehlen Haudegen

Der Köppel-Eklat ist nur eines von mehreren Beispielen dafür, dass die SP ihren Kompass noch nicht gefunden hat. Als der Bundesrat vor Wochenfrist mit einem Buebetrickli Waffenexporte an Saudiarabien erlaubte, schickte die Partei ein empörtes Communiqué – das wars. Auch die Senkung der Mittel für die Entwicklungshilfe wird von den Genossen mehr pflichtschuldig als engagiert bekämpft.

Das Problem liegt tiefer. Die Genossen haben das Kämpfen verlernt. Dank der relativ starken und gleichzeitig zersplitterten Mitte konnte die SP in den letzten acht Jahren beträchtliche Erfolge feiern, durch in Hinterzimmern erarbeitete Kompromisse und Kuhhändel. Auf dieser Basis wurde auch das Personal rekrutiert: Gesucht waren smarte, konsensorientierte Politiker, Liebe und Nette wie die Berner Nadine Masshardt und Matthias Aebischer und die Aargauerin Yvonne Feri. 

Dafür fehlt es jetzt an geeigneten Köpfen, die mit harten Bandagen kämpfen können. Haudegen, die bereit sind, sich die Finger schmutzig zu machen. Selbst Cédric Wermuth, der als Juso-Präsident Angst und Schrecken verbreitete, ist sich für harte Nahkämpfe zu schade. Der einzige, der von Zeit zu Zeit noch richtig austeilt, ist Präsident Christian Levrat, wenn er etwa – übrigens auch wenig zimperlich – Bundesrat Johann Schneider-Ammann als «en panne» bezeichnet.

Kampf gegen die «Abbauschlacht»

Nur Poltern bringe nichts, findet Nussbaumer. «Aber tatsächlich fehlen in machen Dossiers prägnante Köpfe, die unsere Positionen nach aussen wirksam verteidigen.» Auch Fraktionschef Roger Nordmann, der die SP am Dienstag etwas verspätet aus dem Saal dirigiert hatte, gibt zu, dass die Partei die Kommunikation anpassen muss. «Aber wir werden dabei nicht in die Demagogiefalle laufen. Wenn wir uns auf diese Niveau von Roger Köppel begeben, zerstören wir die Demokratie» sagt er.

Eine Neuorientierung fordert auch SP-Vizepräsident Fabian Molina. «Die nächsten vier Jahre sind mehrheitlich ohnehin verloren», so der Juso-Chef. «Umso mehr muss die SP die elende Fokussierung auf das Parlament aufgeben und wieder an der Basis Oppositionspolitik machen.» Man habe die Zeichen der Zeit durchaus erkannt, entgegnet Nordmann. «Unser Ziel ist, die SVP und ihre Tochtergesellschaften FDP und CVP inhaltlich zu bekämpfen.» Er sei zuversichtlich, dass die Bevölkerung die Abbauschlacht in Spitälern, Bildung und Verkehr nicht hinnehmen werde. Letztlich ginge es nämlich nicht darum, am lautesten zu schreien, sondern Probleme zu lösen, so wie Simonetta Sommaruga das tue. «Das ist es ja, was Köppel so aggressiv macht, denn die SVP lebt von der Problembewirtschaftung, nicht von Lösungen.»

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