Sommaruga setzt sich fast in allen Punkten durch
Asyl-Schlappe für die SVP

Elf Stunden lang diskutierten die Nationalräte gestern in der Monsterdebatte, wie die Schweiz in Zukunft mit Asylbewerbern umgehen will. Die SVP hat in dieser emotionalen Debatte auf ganzer Linie den Kürzeren gezogen.
Publiziert: 10.09.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 18:23 Uhr
CVP-Pfister zur Asyldebatte: «Europa hat nichts getan!»
2:15
:CVP-Pfister zur Asyldebatte: «Europa hat nichts getan!»
Von Nico Menzato

Massenhaft Flüchtlinge, die nach Westeuropa strömen. Der ertrun­kene syrische Bub Aylan – an­geschwemmt an einen Strand.

71 erstickte Flüchtlinge in einem LKW in Österreich. Deutschland, das Tausende Syrer aufnimmt. Europa erlebt die grösste Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg.

Mit diesem Hintergrund und entsprechenden Bildern im Kopf berieten die Nationalräte gestern zehneinhalb Stunden, wie die Schweiz mit Flüchtlingen umgehen soll. Zuerst stritten Politiker neuneinhalb Stunden über ein neues Asylgesetz, dann eine Stunde über einen von der SVP verlangten Asylstopp (siehe Box).

Die ganze Debatte verlief emotional, aber die Politiker wählten angesichts der Dramen milde und zurückhaltende Worte. Selbst die SVP!

Auch Bundesrätin Simo­netta Sommaruga betonte, dass ihr neues Asylgesetz in «eine besondere Zeit» falle. «Wir haben eine internatio­nale Flüchtlingskrise, die uns allen unter die Haut geht.»

Die SP-Justizministerin räumte auch ehrlich ein: «Es gibt sie nicht, die abschliessende Lösung im Flüchtlingsbereich – die Lösung, die jedes Problem verschwinden lässt.»

Dennoch setzte sich Sommaruga fast auf der ganzen Linie durch und erreichte in einem emotionalen und höchst aktuellen Politikum rund fünf Wochen vor den Wahlen einen wertvollen Sieg. In der Schlussabstimmung nahm der Nationalrat das Gesetz mit 99 zu 53 Stimmen bei 12 Enthaltungen an.

Die SVP schlitterte von Niederlage zu Niederlage. Sie wollte das ganze Gesetz bodigen, weil laut Hans Fehr (ZH) die Botschaft laute: «Kommt alle in die Schweiz! Wir schaffen 6000 Gratisplätze und jeder erhält einen Gratisanwalt.»

Balthasar Glättli (ZH) schoss scharf gegen die SVP: «Wir wollen und wir dürfen nicht denen das Wort überlassen, die das Asylchaos herbeireden wollen», so der Grünen-Frak­tionschef. «Flüchtlinge brauchen nicht mehr Brandstifter, sondern mehr Soli­darität.»

Auch FDP-Präsident Philipp Müller kritisiert die Frontalopposition der Volkspartei: Jetzt bringe man eine Vor­lage, welche die Asylverfahren massiv beschleunigen würde – und die SVP sei da­gegen. «Das kann ich nicht verstehen.»

Und dies sind die wichtigsten Punkte im neuen Gesetz:

– Bundeszentren. Die Mehrheit der Asylsuchenden ist für die gesamte Dauer des Verfahrens in Bundeszentren untergebracht. Ziel sind Asylentscheide innert 140 Tagen.

– Flüchtlinge erhalten Gratisanwälte.

– Renitente Asylbewerber müssen in Sonderzentren platziert werden. Aber nur jene, welche die öffentliche Sicherheit und Ordnung «erheblich» gefährden. Wo ein solches Zentrum stehen wird, ist offen. Bereits die Suche nach normalen Bundeszentren verläuft harzig.

– Das vor drei Jahren abgeschaffte Botschaftsasyl wird nicht reaktiviert. Wenn die Schweiz dies als einziges Land täte, würden die Botschaften gestürmt, warnten Bürger­liche.

– Auch abgewiesene Asylbewerber erhalten unbeschränkt Nothilfe, nach Möglichkeit in Form von Sachleistungen. Bundesrätin Sommaruga stellte diesbezüglich klar: «In unserem Land lässt man niemanden verhungern oder verdursten!»

SVPler gegen eigene Partei

Bern – Trotz der derzeitigen Flüchtlingsdramen hielt die SVP gestern Abend an ihren radikalen Forderungen für den Umgang mit Flüchtlingen fest: Asylgesetz ausser Kraft setzen, absolut niemandem Asyl gewähren – und mit der Armee die Landesgrenzen sichern. «Unser Anreizsystem im Asylwesen treibt Menschen in die Arme der Schlepper», begründet SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz. Selbstverständlich blieb er absolut chancenlos: Sogar neun SVP-Nationalräte widersetzten sich ihrer Partei – und enthielten sich der Stimme oder waren bei der Abstimmung abwesend. So etwa der ehemalige Nationalratspräsident Hansjörg Walter oder der Zürcher SVP-Präsident Alfred Heer. Von den anderen Parteien gab es mächtig Haue. «Als würden sie die mensch­lichen Schicksale komplett kaltlassen, fordert die SVP, die Grenzen dichtzumachen», kritisierte die SP. Dies sei ebenso wirkungslos wie unmenschlich. Ueli Leuenberger von den Grünen nannte die SVP-Forderungen «schamlos». (Nico Menzato)

Bern – Trotz der derzeitigen Flüchtlingsdramen hielt die SVP gestern Abend an ihren radikalen Forderungen für den Umgang mit Flüchtlingen fest: Asylgesetz ausser Kraft setzen, absolut niemandem Asyl gewähren – und mit der Armee die Landesgrenzen sichern. «Unser Anreizsystem im Asylwesen treibt Menschen in die Arme der Schlepper», begründet SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz. Selbstverständlich blieb er absolut chancenlos: Sogar neun SVP-Nationalräte widersetzten sich ihrer Partei – und enthielten sich der Stimme oder waren bei der Abstimmung abwesend. So etwa der ehemalige Nationalratspräsident Hansjörg Walter oder der Zürcher SVP-Präsident Alfred Heer. Von den anderen Parteien gab es mächtig Haue. «Als würden sie die mensch­lichen Schicksale komplett kaltlassen, fordert die SVP, die Grenzen dichtzumachen», kritisierte die SP. Dies sei ebenso wirkungslos wie unmenschlich. Ueli Leuenberger von den Grünen nannte die SVP-Forderungen «schamlos». (Nico Menzato)

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