Es besteht dringender Handlungsbedarf. Was schon bekannt war: Der Schweiz droht im Energiebereich ein Schreckensszenario. Nämlich bis zu 47 Stunden ohne Strom könnte uns schlimmstenfalls ab 2025 blühen. Und das im Winter, wenn der Strombedarf am grössten ist. Eine im vergangenen Herbst publizierte Studie der Elektrizitätskommission Elcom schreckte auf.
Doch mit dem Ukraine-Krieg hat sich die Situation nochmals deutlich verschärft. Er beeinflusse auch die Energieversorgung in ganz Europa, stellte Energieministerin Simonetta Sommaruga (61) am Donnerstag vor den Medien klar. Preisausschläge hätten «in einem bisher nicht bekannten Ausmass zugenommen.» Die Schwankungen sind historisch! Das wiederum kann auch Schweizer Stromunternehmen in Bedrängnis bringen.
Stromausfälle sollen unbedingt verhindert werden
Die ungewohnt starken Preisanstiege führten zu einem deutlich erhöhen Liquiditätsbedarf von Stromunternehmen, die im Handel tätig seien. Und: «Ein unkontrollierter Ausfall eines grösseren Unternehmens könnte die Versorgungssicherheit der Schweiz gefährden und eine Kettenreaktion nach sich ziehen.»
Da ein enormer Strompreisanstieg einen Flächenbrand in ganz Europa auslösen könnte, will der Bundesrat einen Schutzschirm über die wichtigen Stromunternehmen spannen. Der Bundesrat treibt die Arbeiten für den Rettungsschirm für systemkritische Stromfirmen mit Hochdruck voran. Derzeit geht Sommaruga von einem Verpflichtungskredit zwischen fünf und zehn Milliarden Franken aus, der im Notfall benötigt werden könnte.
Bund will Stromfirmen notfalls finanziell unterstützen
Geplant ist, dass der Rettungsschirm noch vor den Sommerferien beschlossen wird. Dazu müsste er als dringliches Bundesgesetz noch in der Sommersession in den eidgenössischen Räten im Eilverfahren beraten und dringlich in Kraft gesetzt werden.
Grundsätzlich seien aber in erster Linie die Unternehmen selbst gefordert. Der Bund will nur untergeordnet tätig werden. Bevor die Energiefirmen beim Bund anklopfen können, müssen sie selbst alles versucht haben, um selbst oder bei ihren Aktionären Kapital aufzutreiben. Schweizer Stromunternehmen gehören mehrheitlich der öffentlichen Hand, also den Städten und Kantonen.
Nur wenn die Stromfirmen trotz aller Anstrengungen nicht zum notwendigen Kapital gekommen sind, können sie an den Bund herantreten. Und selbst dann sollen die Strombetriebe nur unter strengen Auflagen Unterstützung erhalten. So sollen Fehlanreize verhindert werden.
Zu den strengen Bedingungen, um einen Notkredit zu erhalten, gehören Transparenzvorschriften, eine marktgerechte Verzinsung des Kredits, eine Risikoprämie, ein Verbot von Dividendenausschüttungen sowie Sicherheiten in Form einer Verpfändung von Aktien. Der geplante Rettungsschirm soll zudem nur temporär – erstmal für vier Jahre – zur Verfügung stehen.
«Die Situation ist ernst»
Nachdem vor Weihnachten der Stromkonzern Alpiq in Liquiditätsprobleme geriet und sich Kapital verschaffen musste, hatte eine Taskforce die Lage analysiert. Sie hat offenbar die Notwendigkeit eines Rettungsschirms erkannt. Neue Gesuche von Stromfirmen für eine Liquiditätsspritze sind laut Sommaruga derzeit aber nicht hängig.
«Wir müssen auch für den Worst Case vorbereitet sein, der hoffentlich nie eintritt», betonte Sommaruga vor den Medien. «Abwarten ist für den Bundesrat keine Option.» Auch andere Länder wie zum Beispiel Deutschland arbeiteten an solchen Massnahmen, führte die SP-Bundesrätin aus. «Die Situation ist ernst.» Die Bevölkerung solle weiter auf eine sichere Stromversorgung zählen können. (dba)
Ukraine-Krieg: Politiker fordern, Schweiz soll Heizungen runterdrehenSommaruga 14.4.2022