Das Bild des toten Aylan († 3), der im türkischen Bodrum an Land gespült wurde, hat Menschen rund um den Globus tief betroffen gemacht. Es ist innert weniger Stunden zur Ikone geworden. Und es hat die Flüchtlingsdebatte grundlegend verändert.
Noch vor kurzem hatten in der Schweiz und der EU die Kritiker und Warner die Oberhand: Die SVP beklagte ein «Asylchaos». Viele bürgerliche Politiker forderten schärfere Gesetze.
Doch jetzt, wo das Ausmass der Flüchtlingskatastrophe alle Befürchtungen übersteigt, reagieren die Menschen nicht mit Angst und Ablehnung. Sondern mit Mitgefühl und Hilfsbereitschaft.
Anteilnahme überall
Auch in der Schweiz werden Flüchtlingsorganisationen von hilfsbereiten Bürgern überrannt. Die Anteilnahme ist enorm, sie geht durch die ganze Gesellschaft.
Nur eine Gruppe scheinen die Bilder des Flüchtlingsdramas kaltzulassen: die SVP. Am Mittwoch wird im Nationalrat ihre Radikalforderung nach einem Asylmoratorium diskutiert.
Konkret: Die Blocher-Partei verlangt, dass während mindestens einem Jahr in der Schweiz niemand mehr Asyl erhält. Dass die sichere Einreise von Kontingentsflüchtlingen, etwa aus Syrien, sofort gestoppt wird. Und dass die Grenzen wieder systematisch bewacht werden, wenn nötig von Armeeangehörigen.
Wer angesichts der immensen Not der Flüchtlinge solche Forderungen erhebt, der gibt sich als hartherzig, unmenschlich und realitätsfern zu erkennen.
Das Asylthema, welches der SVP im Oktober den Wahlsieg hätte einbringen sollen, ist plötzlich zum Risiko für die Partei geworden. Die SVP hat ein neues Flüchtlingsproblem: Die Forderungen, die sie erhob, wird sie nicht mehr los.
Schlechtes Timing
Dass die Situation äusserst delikat ist, bestätigen – hinter vorgehaltener Hand – auch Mitglieder der Fraktion. «Die Debatte kommt zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt», sagt ein Politiker.
Er hofft, dass der Vorstoss noch zurückgezogen oder doch zumindest abgeschwächt wird. Ein anderer moniert, dass die Motion «nicht durchdacht» sei.
SVP-Ständerat Peter Föhn (SZ) hingegen verteidigt die Forderung. Zwar sei es tragisch, was in Osteuropa passiere.
Trotzdem ist er überzeugt: «Wir müssen die Asyldiskussion jetzt führen.» Weiterhin kämen nicht die echten Flüchtlinge, sondern nur jene, die es sich leisten könnten.
Fraktionschef Adrian Amstutz (BE) wollte sich auf Anfrage nicht äussern. Asylexperte Heinz Brand (GR), der die Motion im Rat vertreten soll, war gestern nicht erreichbar.