Schön war er geworden, der neue Dorfplatz der Zürcher Gemeinde Uitikon-Waldegg. Leider hatten die schmucken Pflastersteine aus Asien einen Makel: Sie stammten aus Kinderarbeit.
Das Fernsehen berichtete darüber, und plötzlich sprach die ganze Schweiz über den Dorfplatz von Uitikon-Waldegg. Der wohlhabenden Gemeinde und ihren Einwohnern war die Angelegenheit natürlich peinlich. Man hatte vom Importeur schlicht keine genaueren Auskünfte verlangt. Das war vor zehn Jahren.
Seither hat sich wenig verändert auf der Welt. Kinder schuften weiterhin in Steinbrüchen, auf Baumwollfeldern, in Textilfabriken. Der Fall Uitikon-Waldegg jedoch hat so manche Gemeinde aufgeschreckt. Viele schauen genauer hin, woher ihre Pflastersteine, Büromöbel oder Uniformen für die freiwillige Feuerwehr stammen. Kurz: Sie handeln verantwortungsbewusster.
Zertifizierte Schokolade an Jungbürgerfeier
Auf Carouge bei Genf trifft dies insbesondere zu. Der Ort wurde vom früheren Arbeiterhilfswerk Solidar Suisse zur solidarischsten Stadt der Schweiz gekürt. Das «Gemeinde-Rating» bewertet, wie solidarisch Schweizer Kommunen im Alltag handeln. Etwa, wie viel sie für Entwicklungshilfe ausgeben oder ob sie bei Beschaffungsfragen auf soziale Kriterien achten. Dafür hat Solidar Suisse bei den grössten Gemeinden der Kantone nachgefragt.
Und wie wird man die Nummer eins punkto Solidarität? «Einfach nicht immer auf den billigsten Preis aus sein», sagt Nicolas Walder, Gemeindepräsident von Carouge. Wann immer ein Produkt mit Fairtrade-Label eingekauft werden könne, entscheide sich die Gemeinde dafür: Im Carouger Gemeindehaus werden fairer Kaffee, Tee und Zucker kredenzt, auch die Schokolade an der Jungbürgerfeier ist zertifiziert. «Und wir fragen die Läden, Banken und den Fussballklub im Ort, ob sie es uns gleichmachen wollen», so Walder. Soziale Kriterien werden auch in allen Ausschreibungen der Gemeinde ernsthaft berücksichtigt. Dazu kommt: Bis zu einem Prozent des Budgets spendet Carouge der Entwicklungshilfe.
Gemeinden haben laut Solidar Suisse eine Vorbildfunktion – und sie sind eine Marktmacht: Tatsächlich beschafft die öffentliche Hand hierzulande jedes Jahr Waren und Dienstleistungen für 40 Milliarden Franken, allein die Gemeinden kaufen für 16 Milliarden Franken ein.
Röstigraben bei der Solidarität
Solidarität wird nicht überall gleich gelebt, wie die Resultate zeigen. Ein Röstigraben tut sich auf, das Herz der Schweiz schlägt in der Romandie: Unter den 16 Gemeinden, die es in die oberste Kategorie geschafft haben, stammen elf aus der Westschweiz, darunter die grossen Städte Genf und Lausanne sowie die Nestlé-Stadt Vevey VD. In der Deutschschweiz belegen Zürich, Küsnacht ZH, Bern, Ittigen BE und Riehen BS Topplätze.
«Die Gemeinden in der Romandie schneiden klar besser ab. Das hängt damit zusammen, dass sie sich bei der Beschaffung und bei Entwicklungsprojekten besser organisieren und zusammenspannen», sagt Katja Schurter von Solidar Suisse. In der Deutschschweiz würden die Gemeinden oftmals auf eigene Faust agieren oder dem Thema schlicht nicht das gleiche Gewicht beimessen. In der untersten Kategorie rangieren denn auch ausschliesslich Deutschschweizer Gemeinden: Münchenbuchsee BE, Teufen AR, Aadorf TG, Liestal, Suhr AG, Schwyz, Einsiedeln SZ, Bassersdorf ZH und Volketswil ZH.
Zu ihrer Ehrenrettung sei gesagt: Immerhin gehören sie zu den 87 Gemeinden, die bei der Umfrage überhaupt mitgemacht haben. In Appenzell Innerrhoden, Nidwalden, Glarus und im Wallis beteiligte sich keine einzige. «Das Wallis ist ein Kapitel für sich. In beiden Kantonsteilen haben wir seit jeher Mühe, Gemeinden zu bewegen, unsere Anfragen zu beantworten», sagt Katja Schurter.
Nicht gerade solidarisch ...