So versucht Erdogans Vize-Botschafter, Schweizer Parlamentarier zu beeinflussen
«Hier gehen die Türken klar zu weit»

Wenn im EDA in Bern das Telefon klingelt: Die Türkei übt direkten Druck auf unsere Parlamentarier aus. Das zeigen Dokumente, die BLICK vorliegen. SVP-Nationalrat Roland Büchel findet klare Worte und spricht von einer «inakzeptablen Grenzüberschreitung».
Publiziert: 14.03.2017 um 23:45 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:46 Uhr
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«Diese Intervention der Türkei ist ein Affront der offiziellen Schweiz gegenüber», sagt der Präsident der Aussenpolitischen Kommisson, Roland Büchel (SVP/SG).
Foto: 50 Patrick Luethy
Cinzia Venafro

Sie fordern, dass sich die Schweiz nicht in türkische Angelegenheiten einmischt. Doch Unterlagen, die BLICK vorliegen, zeigen exemplarisch, wie der türkische Aussenminister direkt bei Nationalräten und der Schweizer Delegation des Europarates in Strassburg interveniert.

Oktober 2016: In einer Motion mit dem Titel «Die Situation in der Türkei» fordern 26 Mitglieder des Europarates – darunter FDP-Nationalrätin Doris Fiala und SP-Nationalrat Manuel Tornare – dass der Türkei das Stimmrecht entzogen wird, sollte sie nicht «Rechtsstaatlichkeit und Respekt vor den Menschenrechten wiederherstellen.» Zudem sei «die Verhaftung Tausender Personen in Zusammenhang mit dem Putschversuch weit ausserhalb jeglichen demokratischen Standards.»

Die Tinte von Doris Fiala und Manuel Tornare unter der Motion des Dänen Miachel Aastrup Jensen war noch nicht trocken, da klingelte das Telefon beim EDA in Bern. Am Hörer: Umut Öztürk, Nummer zwei der türkischen Botschaft. «Soeben informierte mich Herr Umut Öztürk, dass die Motion Jensen von 26 Europarats-Abgeordneten unterzeichnet worden ist», berichtet ein Diplomat des EDA umgehend in einem Mail an die Schweizer Delegation im Europarat. So hätten auch die Nationalräte Fiala und Tornare die Motion unterschrieben. «Im Wissen um die Gewaltenteilung hat er mich (ungeachtet dessen) ersucht, die Schweizer Delegation über den «destruktiven und nicht zielführenden» Antrag für einen Stimmrechtsentzug seines Landes beim Europarat zu informieren.

«Eine völlig inakzeptable Grenzüberschreitung»

«Diese Intervention der Türkei ist ein Affront gegenüber der offiziellen Schweiz», sagt der Präsident der Aussenpolitischen Kommisson, Roland Büchel (SVP/SG). «Das ist eine völlig inakzeptable Grenzüberschreitung. Hier lassen die Türken nicht nur das diplomatische Fingerspitzengefühl vermissen, hier gehen sie klar zu weit.»
 
Es sei schon erstaunlich, dass sich «Beamte der türkischen Botschaft anmassen, auf eine derart plumpe Art und Weise Druck auf Schweizer Parlamentarier auszuüben», so Büchel. Solche Interventionen würden natürlich nicht in der türkischen Botschaft in Bern erfunden. «Das ist die Handschrift aus Ankara!»
 
Das Beispiel zeige exemplarisch, «was für ein Verständnis Erdogan und Co. von Gewaltenteilung und Demokratie haben», sagt Büchel und betont: «Es ist kein ausgeprägtes!»

Nationalrat Tornare: «Darauf pfeife ich doch!»

Doch kommt der Druck denn bei den namentlich Genannten an? Nationalrat Manuel Tornare (SP/GE) vehement: «Darauf pfeife ich doch! Ich habe sicher keine Angst vor den Türken.» Das Land sei eine Diktatur, «und Erdogan ist ein Diktator».  Diese Intervention des türkischen Aussenministriums zeige dies exemplarisch. «Gewaltenteilung kennen die Türken nicht mehr.»

So weit geht Doris Fiala nicht. «Das ist ein diplomatischer Versuch, Einfluss zu nehmen», so die FDP-Frau. «Ich erzittere sicher nicht vor Ehrfurcht, wenn die Türkei versucht, mich anzubellen.» Diese Intervention der türkischen Botschaft beeindrucke sie nicht. «Wenn es so wäre, müsste ich wohl mein Amt niederlegen.» Die Weitergabe der Intervention der Türkei durch das EDA sehe sie zudem positiv. «Die Unterzeichnenden haben also einen Nerv getroffen, das will ich auch wissen.»

Das EDA fungiere als Briefträger der Türkei

Für Alfred Heer (SVP/ZH) ist das Verhalten der Türkei «unangenehm, aber legitim». Die Türken verträten ihre Position knallhart. «Das EDA fungiert in diesem Fall halt als Briefträger der Türkei.»

Und diesen spielt man im Departement von Bundesrat Didier Burkhalter gern. EDA-Sprecher Jean-Marc Crevoisier: «Wir haben Fakten übermittelt und in einen Kontext gestellt, sodass sich die Parlamentarier ein Bild der Situation machen können.» Er betont: «Wir geben keine Stimmempfehlung ab! Unsere Diplomaten müssen jeglichem Druck standhalten.» 

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