Wie viele Personen arbeiten in Jobs, die vom EU-Binnenmarkt abhängig sind? Die Denkfabrik Avenir Suisse hat erstmals Zahlen zu den einzelnen Kantonen ausgewertet. Die Analyse liegt BLICK vor – und sie zeigt: Die Unterschiede sind riesig!
Im Kanton Baselland hängt mittlerweile mehr als jeder zweite Job ganz direkt an der Möglichkeit, dank den bilateralen Verträgen vereinfacht in die Europäische Union exportieren zu können. Insgesamt 78'000 Personen arbeiteten 2016 in Branchen, die einen Grossteil ihrer Produkte oder Dienstleistungen auf dem europäischen Markt anbieten.
«Ein Nein zum Rahmenabkommen gefährdet Arbeitsplätze»
Das war nicht immer so: 2002, im Jahr, als die Bilateralen I in Kraft gesetzt wurden, waren es erst 24'000 Personen. Seither steigt die Abhängigkeit des Kantons vom EU-Markt Jahr für Jahr.
Das Baselbiet müsste also aus wirtschaftlichen Überlegungen allergrösstes Interesse daran haben, die Bilateralen zu sichern und weiterzuentwickeln. «Die Zahlen zeigen klar: Wer das Rahmenabkommen mit der EU ablehnt, setzt die Arbeitsplätze in unserer Region aufs Spiel», sagt der Baselbieter Nationalrat Eric Nussbaumer (58), der in der SP an vorderster Front für ein Ja zum EU-Deal kämpft.
SVP-Regierungsrat windet sich
Der Baselbieter Volkswirtschaftsdirektor Thomas Weber (57) verteidigt denn auch die Bilateralen samt Personenfreizügigkeit, obwohl er in der SVP politisiert: «Rechts- und Planungssicherheit, ein möglichst freier Marktzugang sowie die Möglichkeit, auf den Arbeitsmarkt der EU zurückgreifen zu können, sind für die Baselbieter Wirtschaft essenziell.» Beim Rahmenabkommen hingegen ist Weber skeptisch: Zentrale schweizerische und kantonale Anliegen seien nach Auffassung des Regierungsrats nicht ausreichend berücksichtigt.
Auch in Basel-Stadt und im Aargau arbeiten überdurchschnittlich viele Personen in Branchen, die in die EU exportieren (siehe Tabelle). Die Abhängigkeit von Basel hat jedoch abgenommen, jene des Aargaus zugenommen. «Die Basler Pharmabranche hat neue Standorte im Aargau und im Baselbiet eröffnet. Etwa die Novartis Pharma in Stein AG», erklärt Patrick Dümmler (45), Forschungsleiter Offene Schweiz bei Avenir Suisse und Autor der Analyse.
Die Denkfabrik warnt vor einem Erodieren des bilateralen Wegs – was laut Dümmler auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hätte: «Unsere Analyse zeigt klar, dass die Bilateralen einen positiven Einfluss auf die Anzahl der Beschäftigten in der Schweiz hatten. Sie wirken als Beschäftigungs-Katalysator.»
EU-Markt verliert an Bedeutung
Nicht überall leben die Schweizer Erwerbstätigen jedoch derart stark von den EU-Konsumenten. Am Ende der Rangliste befinden sich Bern, Nidwalden, Appenzell-Innerrhoden und Zürich. In diesen Kantonen hängt nur gut jeder zehnte Job direkt am EU-Binnenmarkt.
Europa hat unter dem Strich auch an Bedeutung verloren – die asiatischen und amerikanischen Märkte werden für Schweizer Firmen immer wichtiger: Gingen 2002 noch zwei Drittel aller Schweizer Exporte in den EU-Raum, ist es heute noch gut die Hälfte. Und nach dem Brexit wird diese Quote nochmals markant sinken.