So tickt das neue Parlament
Nicht grüner – aber progressiver

Der neue Nationalrat hatte noch keine Gelegenheit, mit grünen Entscheiden für Wirbel zu sorgen. Auffällig sind hingegen einige progressive Ausrufezeichen.
Publiziert: 20.12.2019 um 19:10 Uhr
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Der neue Nationalrat politisiert progressiver als der alte. Er ist grundsätzlich für Versuche zur kontrollierten Abgabe von Cannabis.
Foto: Keystone
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Der neue Nationalrat politisiert progressiver als der alte. Er ist grundsätzlich für Versuche zur kontrollierten Abgabe von Cannabis.
Foto: Keystone
Nico Menzato

Zuerst sah es nach einem grünen Coup am gestrigen letzten Sessionstag aus. Der Vorschlag, die Umweltauflagen für Wasserkraftwerke zu lockern, scheiterte knapp. Doch der grüne Jubel kam zu früh. Die Abstimmung wurde wiederholt, weil Mitglieder mehrerer Fraktionen den falschen Knopf gedrückt hätten, wie die SVP argumentierte. Die Abstimmung wurde wiederholt – und das Verdikt hauchdünn gekehrt.

Kein grüner Triumph ganz zum Schluss also. Doch das passte zur ganzen Session, in der noch wenig von der grünen Flut zu spüren war. Weil die grossen Umwelt- und Klimathemen schlichtweg fehlten. Dies wird bereits im Frühling mit dem CO2-Gesetz ganz anders sein.

Die Nationalratswahlen machten den Nationalrat aber nicht nur grüner, sondern auch jünger und weiblicher. Und dies war in den ersten drei Wochen der neuen Legislatur mit progressiven Entscheiden deutlich spürbar.

Kiffen, Lobbying, Individualbesteuerung

Etwa beim Thema Kiffen. So befürwortete die grosse Kammer grundsätzlich Versuche zur kontrollierten Abgabe von Cannabis. Es sei nötig, neue Wege in der Cannabispolitik zu prüfen. Die Gesundheitskommission des alten, konservativeren Parlaments hatte die Idee noch abgeschmettert.

Gleiches Bild auch beim Lobbying, wo die Konservativen das Nachsehen hatten: Der Nationalrat sprach sich im Grundsatz für die Schaffung eines Lobbyisten-Registers aus. Professionelle Interessenvertreter mit einem Zutrittsbadge zum Bundeshaus müssen künftig offenlegen, für welche Kunden sie in der Wandelhalle unterwegs sind.

Bei der künftigen Besteuerung von Ehe- und Konkubinatspaaren dürfte das neue Parlament den Weg für eine Individualbesteuerung zu ebnen versuchen. Ein neuerlicher Vorschlag des Bundesrats zur Abschaffung der Heiratsstrafe scheiterte zumindest trotz Widerstand der SVP und CVP diesen Mittwoch im Parlament klar.

Stöckli als konservatives Bollwerk?

Einen richtig bedeutenden Sieg konnten die Progressiven jedoch nicht erringen. Nahe dran waren sie jedoch bei ihrem Kampf gegen höhere Hürden beim Zivildienst. Eine parteiübergreifende Gruppe junger Parlamentarier versuchte bis zur letzten Minute, Parlamentarier umzustimmen. Doch mit 97 zu 93 Stimmen bei 6 Enthaltungen trat der neue Nationalrat auf die Vorlage ein und winkte sie später durch.

Für ein rechtes Ausrufezeichen sorgte hingegen der Ständerat, obwohl es dort kaum parteipolitische Verschiebungen gab. In der letzten Legislatur korrigierte er diverse rechte Entscheide aus der grossen Kammer nach links. Jetzt zerzauste er den Bundesratsvorschlag einer Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose.

Gut möglich, dass das Stöckli mit seinen vielen Vertretern aus kleinen eher konservativen Kantone nun wieder verstärkter zum konservativen Bollwerk in Bundesbern wird – als Gegenstück zum progressiven Nationalrat.

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